Donnerstag, 23. April 2009

Falsch verstandene Liberalität: Zum Streit um den Religionsunterricht in Berlin

In seinem Beitrag aus der heutigen NZZ zum bevorstehenden Volksentscheid am 26.04. über den Religionsunterricht in Berlin kommt Kommentator Joachim Güntner zu folgendem Schluss:
Siegt hingegen die Initiative mit ihrem Verlangen nach einem «Wahlpflichtbereich Ethik/Religion», dann hat sie eine Gleichbehandlung beider Fächer erreicht, die das verfassungsmässige Recht, dem Religionsunterricht fernzubleiben, fast völlig verblassen lässt. Es ist, als machte «Pro Reli» aus dem als Bevormundung beschimpften «Zwangsfach Ethik» einfach ein um die Religion erweitertes Doppel-Zwangsfach. Liberal wirkt auch das nicht.
Dieses Fazit halte ich für großen Unsinn. Was wäre die Konsequenz der mit den letzten beiden Sätzen im Prinzip geforderten völligen Liberalität? Eigentlich doch dies, dass die Schülerinnen und Schüler entscheiden können sollten, sowohl Religion als auch Ethik abzuwählen. Das aber kann in niemandes Sinne sein. Wie Theologieprofessor Rolf Schieder schon gestern in der F.A.Z. auf S.11 schrieb: "[D]er Zwang zur Wahl [ist] die Bedingung der Möglichkeit von Freiheit".

Auch lässt die "Gleichbehandlung beider Fächer" eben gerade nicht "das verfassungsmäßige Recht, dem Religionsunterricht fernzubleiben, fast völlig verblassen". Es ist vielmehr umgekehrt so, dass die bisherige Berliner Sonderregelung eines Pflichtfachs Ethik das verfassungsmäßige Recht, am Religionsunterricht teilzunehmen, verblassen lässt! Denn Religionsfreiheit bedeutet nicht nur Freiheit von der Religion, sondern vor allem auch Freiheit zur Religion.

Ceterum censeo, dass das Bundesverfassungsgericht baldmöglichst und endlich und endgültig einmal über die Frage der Anwendbarkeit der Bremer Klausel entscheiden sollte.

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