Donnerstag, 22. Oktober 2009

Vor 20 Jahren: Wie ich die friedliche Revolution erlebt habe

Vor zwanzig Jahren war ich sechzehn. In diesen Wochen zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November versuche ich mich zu erinnern: Wie habe ich eigentlich damals, als Jugendlicher im Südwesten Deutschlands, die friedliche Revolution im Osten erlebt?

Die DDR war für mich weit weg, ein anderes Land, mit dem mich nichts verband. Wir hatten weder Verwandte noch Bekannte "drüben", und Politik hat mich damals reichlich wenig interessiert, wenn es nicht gerade um den Kampf gegen den Walfang, das Waldsterben oder Atomkraftwerke ging.

Zwei Begebenheiten haften mir aber im Gedächtnis. Die eine: Wir gingen ´89, wenige Monate noch vor dem Mauerfall, auf Klassenfahrt nach Berlin. Einen Tag verbrachten wir auch in Ost-Berlin. 25 Westmark wurden in 25 Ostmark umgetauscht, und dann mussten wir zusehen, wie wir die los bekamen, denn zurückgetauscht wurde nicht. Auf dem Rückweg erregte einer meiner Mitschüler Aufmerksamkeit: Er hatte ein Hemd in der Tasche, das mehr gekostet hatte als 25 Mark. Hatte er unerlaubt Westdevisen eingeführt? Nein, des Rätsels Lösung war einfacher, überstieg aber offenbar die Fantasie des real existierenden Sozialismus: Er hatte mit einem anderen Mitschüler zusammengelegt.

Die zweite Begebenheit, natürlich: die Fernsehbilder. Jubelnde und singende Menschen vor und auf der Mauer, strahlende, lachende Gesichter. David Hasselhoff singt "I've been looking for freedom".

Freiheit. Dass der Mensch frei ist, das gründet nach christlichem Verständnis darin, dass er von Gott geschaffen ist, und zwar: nach Gottes Bild geschaffen. Damit hat er eine unverlierbare Würde – auch in unfreien Verhältnissen. Manchmal erwächst aus dem Wissen darum die Kraft zum Aufbegehren, wenn die Unfreiheit zu groß wird.

Freiheit – das Über-Wort zu dieser Zeit. Ich wusste damals wenig über das System der Unfreiheit, das die Menschen so glücklich über seinen Untergang sein ließ. Aber schon diese kleine 25-Mark-Anekdote hatte mir einen Hauch des Gefühls vermittelt, was es bedeutet: derart ausgeliefert zu sein.

Nicht viel später brach sich das große Wunder Bahn. Wie groß es war, das verstand ich nun ein wenig besser.

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2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für den Bericht. Ich beschäftige mich gerade sehr mit dem Thema "Friedliche Revolution". Ich sehe es für sehr wichtig an, sich an dieses Wnnder zu erinnern. Daher lese ich sehr gerne Berichte von Menschen aus Ost und West, darüber wie sie die Zeit erlebt haben.

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  2. Lieber feiere ich statt dem Mauerfall mit der Kati und der Margot in meiner Sauna und einem halben Kilo roten Afghanen 60 Jahre DDR. Die Sendung wird live von Radio Pyönyang und Radio Havanna in die unendlichen Weiten des Weltalls und des Internets übertragen.

    Weil die behindertenfreundlich und barrierefrei sind veröffentlichen die das Drehbuch für die Tauben und wenn sie es wollen auch die Spatzen.

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