Freitag, 24. September 2010

Vollbildmodus

„Der Vollbildmodus lässt sich nicht aktivieren.“
Oh Mann.
Ich ärgere mich, dass wieder etwas nicht so funktioniert am Computer, wie ich es haben will. Und ein bisschen ärgere ich mich über den gestelzten, wenig hilfreichen Satz. Er spukt mir im Kopf herum, und ich denke: Dass der Vollbildmodus sich nicht aktivieren lässt, das kenne ich auch aus anderen Zusammenhängen.

Wie oft ist es schwierig, den Blick aufs Ganze zu bekommen.
Wie oft schauen wir wie durch ein Fenster auf ein Thema.
Wie oft haben wir ein eingeschränktes Blickfeld, fällt es uns schwer, die Perspektive zu wechseln, um eine Sache auch von der anderen Seite zu betrachten.

Ob es um die Integrationsdebatte geht, oder um die Frage, ob und wann und in welchem Umfang Präimplantationsdiagnostik ethisch erlaubt ist, oder ob wir Sterbehilfe leisten dürfen, oder ob wir Pflanzen, Tiere, Menschen genetisch verändern dürfen, oder gar, ob der eine Glaube wahrer ist als der andere, immer gilt: "Der Vollbildmodus lässt sich nicht aktivieren."

Unser Wissen ist Stückwerk, wir sehen nur ein dunkles Bild durch einen
Spiegel, schrieb schon der Apostel Paulus (1. Kor 13,12a). Ich will deshalb versuchen,
mich an eine Regel zu halten: Fälle keine vorschnellen Urteile! Lehne nicht von vorneherein eine wissenschaftliche Vorgehensweise, eine Behandlungsmethode, eine Gruppe von Menschen ab, nur weil du eine schlechte Erfahrung gemacht hast, dir jemand anders etwas Schlechtes erzählt hat, oder du von einem Misserfolg gelesen hast.

Nicht immer gelingt es mir, mich an die Regel zu halten. Ist wohl eine menschliche Schwäche. Aber ich will es versuchen. Mir bewusst zu sein: Irgendwie fehlt es doch immer an Details; es gibt noch mehr Information.
Noch mehr zu sehen.
Noch mehr zu erfahren.
Noch mehr zu wissen.

"Der Vollbildmodus lässt sich nicht aktivieren". Am Computer gehe ich in diesem Fall selbstverständlich davon aus, dass ich noch mehr sehen könnte, aber die Umstände es mir gerade nicht erlauben. Warum gehen wir ansonsten so oft und vor allem so schnell vom Gegenteil aus? Dass wir genug sehen, um dies abzulehnen, jenes aber anzunehmen? Etwas mehr Selbstvorbehalt, öfter mal einen zweiten Blick – das würde ich mir wünschen.

Als Christ bin ich der guten Hoffnung, dass wir einmal das Vollkommene schauen werden. Wie Paulus sagt: Jetzt erkenne ich stückweise, die Zeit aber wird kommen, in der ich völlig erkennen werde, wie auch ich völlig erkannt worden bin (1. Kor 13,12b).

Einmal wird Gott alles in allem sein (1. Kor 15,28).
Dann ist der Vollbildmodus aktiviert.

[Dieser Beitrag ist in gekürzter Form auch als Rundfunkandacht in der Reihe "Feels Like Heaven" bei Rockland Radio gelaufen. Anhören! (mp3-Datei)]

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