Samstag, 6. Oktober 2012

Geschenkte Zeit


Vor nicht ganz 18 Jahren hat ein Kleinbus nachts eine rote Ampel überfahren und ist mir genau in die Fahrerseite gekracht. Meine beiden Mitfahrer wurden leicht verletzt, dachten aber minutenlang, ich wäre tot, als ich bewusstlos über dem Steuer hing. Mit einer Gehirnerschütterung, einem gebrochenen Jochbein, die Wange aufgerissen, kam ich ins Krankenhaus.

Dort hatte ich Zeit zum Grübeln. Eigentlich war es Glück im Unglück: Es hätte ganz anders enden können.
Trotzdem: Eine wundersame Bewahrung konnte ich darin nicht erkennen. Ein Schutzengel, der ordentliche Arbeit macht, hätte doch wohl früher eingegriffen.

Als junger Student geriet Martin Luther in einen schweren  Gewittersturm. Ganz in seiner Nähe schlug ein Blitz ein, woraufhin er gelobte: „Ich will ein Mönch werden.“
Irgendwie habe ich darauf gewartet, dass mein Unfall auf mich auch so einschneidende Wirkung ausübt. Nicht gerade, dass er mich ins Kloster führt. Aber doch eine Erleuchtung, ob ich mich irgendeiner besonderen Aufgabe widmen soll. Ist nicht passiert.

Aber anderes ist passiert seitdem.
Nahe Verwandte sind gestorben.
Meine Kinder wurden geboren, und ich sehe sie aufwachsen.

Und ich erkenne je länger je mehr: wie brüchig das Leben ist, wie wenig selbstverständlich. Wie sehr meine Zeit hier geschenkte Zeit ist.

Es geht nicht darum, ob ich wie durch ein Wunder aus dieser Gefahr errettet oder von jener Krankheit geheilt werde.
Sondern darum, dass das Leben überhaupt ein Wunder ist.
Danke dafür, guter Gott.

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