Montag, 1. Oktober 2012

Zu Hause gestorben - selbstbestimmt


Ihr Großvater hat gern mit seinen Händen gearbeitet. Etwas aufbauen, anbauen, anlegen,
setzen, umgraben, mähen, Heu machen, das war sein Ding, das gab ihm Lebenssinn.
Noch, als er schon sterbenskrank war, ging er in den Garten, hinaus ins große Grundstück, mähte ein letztes Mal, setzte Bäume, damit das künftig zu mähende Stück nicht mehr ganz so groß sei – für die Zeit nach ihm.

Als der Krebs ihn handlungsunfähig machte und ans Bett fesselte, wollte er sterben. Das stand schon vorher fest. Ein Jahr zuvor war seine Frau gestorben. Ein halbes Jahr war sie hilflos bettlägerig gewesen, gepflegt von seiner Tochter und ihm selbst. Das wollte er nicht durchmachen und anderen nicht auferlegen. Der Arzt erklärte ihm, welche und wie viele Tabletten er nehmen müsse. Er nahm sie abends, und er schlief ein, aber er starb erst am nächsten Morgen, so stark war am Ende doch sein Herz, zehn, fünfzehn Jahre zuvor mit fünf Bypässen versorgt.

Ihr Großvater ist zu Hause gestorben, sie, seine Angehörigen, in nächster Nähe. Niemand hat ihn zum letzten Schritt gedrängt, niemand ihn in Frage gestellt. Ganz rein sind ihre Gewissen nicht geblieben. Haben sie das Richtige getan, es zuzulassen? Sind sie schuldig geworden, es nicht zu verhindern? Wie frei ist diese letzte große freie Entscheidung wirklich?

In kirchlichen Stellungnahmen lese ich immer mal wieder, dass der Mensch das Ebenbild Gottes ist und bleibt, im Leben und im Sterben. Darin wurzelt seine Würde. Niemand und nichts kann sie ihm nehmen – keine Krankheit, keine Demenz. Ich lese, dass das Leben in allen seinen Phasen zu schützen ist, und von unserer Verantwortung vor Gott, dem Schöpfer und Herrn allen Lebens.

Und so hoffe ich, dass ich den Mut und die Kraft haben werde, mein ganzes Leben, auch in seiner letzten Phase, durchzustehen, was immer mir auferlegt sein mag. Aber ich hoffe auch, dass, wenn ich es nicht schaffe, wenn ich zu schwach sein sollte, dass es dann Menschen gibt, die bereit sind, für mich ihre Gewissen zu belasten.

Und ich glaube, dass Gott, falls nötig, ihnen und mir vergeben wird.

3 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Danke.
      Schwierige Gratwanderung, denke ich halt - bei der gesetzliche Regelungen nie alle Einzelfälle einschließen können.

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  2. Und dies noch zum Thema:
    http://www.derbund.ch/leben/gesellschaft/Vater-war-nicht-lebensmuede-aber-lebenssatt/story/13749338

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