Freitag, 19. September 2008

Auf der Suche nach dem Gott-Teilchen

Vor etwas über einer Woche wurde er in Betrieb genommen: der Large Hadron Collider, kurz LHC, am Kernforschungszentrum CERN in Genf, die größte von Menschen gebaute Maschine. 27 Kilometer Länge misst der 150 Meter unter der Erde liegende Tunnelring des Teilchenbeschleunigers. Seine Baukosten alleine - ohne die zur Ergebnisanzeige notwendigen Detektoren - betrugen rund drei Milliarden Euro.

Und wofür? Sehr vereinfacht gesagt: für ein gigantisches Mikroskop. Paradoxerweise werden die Messgeräte umso größer, je kleiner die untersuchten Objekte sind. Oder genauer gesagt: die gesuchten Objekte. Denn das Higgs-Teilchen, das die CERN-Wissenschaftler unter anderem erforschen zu können hoffen, existiert bislang nur in der Theorie. Ihm werden Eigenschaften zugeschrieben, die diejenigen eines Schöpfergottes sein könnten: Es muss der Theorie zufolge im Universum allgegenwärtig sein, und es ist allmächtig in dem Sinne, dass es allen anderen Teilchen ihre Masse verleiht, also die Eigenschaften der Materie steuert. Darum nennen es manche Physiker auch das "Gott-Teilchen".

Eine öffentlichkeitswirksame Bezeichnung, durchaus. Es schwingt darin auch deutlich der Wunsch mit, die letzten Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln. Aber wie christliche Theologen aller Couleur sich hüten sollten, die biblischen Schöpfungsgeschichten als naturwissenschaftliche Weltentstehungstheorie zu behaupten, so sollten Physiker nicht einfach religiöse Formulierungen auf ihre Erkenntnisse übertragen. Es könnte der Verdacht entstehen, die Naturwissenschaftler wollten sich mit der Entdeckung des Gott-Teilchens die Deutungshoheit für alle menschliche Erfahrung sichern.

Dem gegenüber wäre festzuhalten: Die Experimente mit dem LHC bringen - hoffentlich - faszinierende neue Erkenntnisse über Anfang und Struktur des Universums. Sie werden jedoch nichts daran ändern, dass wir weiterhin mit Luther sagen können:. "Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen ..."

(Dieser Artikel erschien - leicht gekürzt - auch in der Ausgabe 38/2008 des Evangelischen Kirchenboten)

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