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Donnerstag, 29. Mai 2014

Warum heißt es eigentlich "Christi Himmelfahrt", aber "Jesu Auferstehung"?

Ixtus
... könnte man sich ja fragen, weil "Jesus" wie "Christus" offenkundig aus dem Lateinischen herrühren und auf -us enden. Nach der o-Deklination müsste auch der Genitiv von "Jesus" analog zu "Christi" demnach "Jesi" lauten. Und selbst, wenn man "Jesus" zur u-Deklination rechnen wollte, lautete der Genitiv "Jesus" (mit langem u), nicht "Jesu".

Christi Himmelfahrt
Jesu Auferstehung
Im Namen Jesu Christi
Die Jünger Jesu
Christi Leib ...

Also, das ist so ...

Montag, 3. Juni 2013

Lasst uns ruhig beten wollen!

Über obigen Eintrag auf Twitter bin ich heute auf diesen Artikel gestoßen: "Wir wollen nicht beten! Eine Glosse zur liturgischen Sprache".

Der Autor, Liborius Lumma, kritisiert in satirischer Form die Verwendung der liturgischen Formel "Wir wollen beten" anstelle von "Lasst uns beten". Mir scheint, er fällt ein zu hartes, wenn nicht gar falsches Urteil, wenn er schließt: "'Wir wollen beten' ist (...) vor allem eines: falsch."

Donnerstag, 7. Februar 2013

Pippis Sprachkolonien (Kurzfassung)


Im vergangenen Jahr habe ich meiner Tochter „Pippi Langstrumpf“ vorgelesen. Aus einer alten Ausgabe meiner Frau. Schon auf der zweiten Seite stutze ich – dann lese ich: Pippis Vater ist „König auf einer Südseeinsel“ statt „Negerkönig“. Und auch ansonsten: „schwarze Kinder“ oder „Kinder mit schwarzer Hautfarbe“ statt „Negerkinder“.

Dienstag, 5. Februar 2013

Ein-Bildung


Wir bilden uns Gott ein.
Hurra, jubeln jetzt alle Atheisten, endlich hat er's erkannt: Gott, das ist eine literarische Erfindung, eine Projektion unserer Wünsche und Hoffnungen, eine selbstgebastelte Krücke, die uns über Ängste und Unsicherheit unserer Existenz hinweghelfen soll. Eben: Wir bilden uns Gott ein.

Aber natürlich wäre das vorschnell. Natürlich lasse ich das nicht so stehen. Natürlich habe ich noch einen Hintergedanken. Und zwar frage ich: Wie wäre es denn gerade umgekehrt: Gott bildet sich uns ein.
Das heißt dann zunächst: Gott hat sich uns ausgedacht. Wir sind seine Erfindung. Er hat seine Geistkraft eingesetzt, um uns lebendig zu machen. An uns übt er seine Kreativität. Auf uns projiziert er seine Liebe. In uns investiert er sein Herzblut. Wir sind Gottes Lebenswerk.

Gott bildet sich uns ein. Er hat sich uns ein-gebildet.
Das heißt auch: Er hat uns sein Bild eingeprägt. Sind wir Gedanken Gottes, dann kommen wir direkt von ihm her. Entspringen wir seiner Imagination, dann haben wir unser Image von ihm. So steht es in der biblischen Schöpfungsgeschichte: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (Gen 1,27)

In diesem Sinn lasse ich mir gerne etwas einbilden.
Ohne eingebildet zu sein.
Wie wird mein Bild aussehen, wenn es fertig ist?
So wie Gott es sich gedacht hat? So wie ich es mir gedacht habe?
Oder bekommen wir beides sogar irgendwie zusammen?

Montag, 4. Februar 2013

Geschichten erzählen. Die richtigen.




Erzählt ihr oft Geschichten? Würdet ihr von euch sagen: Ich bin Erzähler, Erzählerin?

Nein? Unterschätzt euch nicht. Wir alle erzählen Geschichten, tagtäglich: von unserer Familie, Eltern, Geschwistern, Kindern; wie sehr wir sie lieben, und wann sie uns nerven; wie schön die Geburtstagsfeier war; wie schwierig der Krankenbesuch, wie würdig die Beerdigung. Wir erzählen von der Arbeit: welches Projekt wir gerade abgeschlossen haben; wie es mit dem Chef und den Kollegen klappt. Wir erzählen, sofern wir dort aktiv sind, vom Verein oder aus der Kirchengemeinde: vom Gottesdienst am Sonntag vielleicht, vom Gemeindefest, von der Kirchenrenovierung.

Wir alle erzählen Geschichten. So schreiben wir die Geschichte unseres Lebens. Neutrale Beobachter können wir dabei nicht sein. Wir gehören ja mitten hinein. Also lassen wir manches weg, anderes führen wir im Detail aus. Dadurch deuten wir unsere Geschichte. Wir verleihen dem, was in unserem Leben geschieht, einen Sinn. Und das wirkt sich aus auf unser Denken und Handeln, auf das, was wir tun wollen, was uns motiviert, darauf, wie wir gute Zeiten nutzen, wie wir schlechte Zeiten durchstehen. Ja, was wir erzählen, beeinflusst, wie unsere Zukunft aussieht.

Auch für die Wirtschaft hat man das erkannt [vgl. Otto Kruse, Kunst und Technik des Erzählens, Frankfurt a.M. 2001, S. 17]: Wie Angestellte von ihrem Unternehmen erzählen, welche Geschichten über einen Betrieb im Umlauf sind, das beeinflusst wesentlich, welche Perspektiven dieser Betrieb hat, welche Personen in ihm Bedeutung erlangen; und damit also: wie seine Zukunft aussieht.

Darum lohnt es sich, sich dessen viel bewusster zu werden: Was und wie erzähle ich eigentlich von dem, was mir wichtig ist? Sind es tatsächlich die Geschichten, von denen ich mir wünsche, dass sie im Umlauf sind – über mich, meine Familie, meinen Arbeitsplatz, meinen Verein, meine Gemeinde, meine Kirche?
Ich bin der Erzähler. Ich bin verantwortlich.

RPR1 Angedacht
ProtCast Pfalz

Update 06. Februar 2013: Während es mir in diesem Beitrag mehr um die Auswahl und Tonalität der "storys" ging, die sich auf vergangene, bestenfalls gegenwärtige Erfahrungen und Situationen beziehen, legt Matthias Jung im Anschluss an Harald Welzer und Stefan Rammler sehr anschaulich dar, welche Wirkung gerade auch Zukunftserzählungen haben können. Seine Vision vom "Heiligabend 2023" empfehle ich sehr zur Lektüre.

Freitag, 1. Februar 2013

Vom Verlieren gegen Frauen



"Na, warst du heute wieder ein Kavalier?"

Es würde mich interessieren, wie viele Schach spielende Männer irgendwann einmal diesen Spruch von Vereinskameraden hören durften, nachdem sie gegen eine Frau verloren hatten. Ich nehme an, es sind nicht wenige.

Meistens bleibt's bei so einem Spruch; es wird nicht noch nachgebohrt (wenn, dann tatsächlich schachlich-sachlich). Und weil Schach den Charakter stärkt, richtet das auch keinen größeren Schaden in der männlichen Psyche an, meine ich. Ärger potenziert sich in der Regel angesichts der Art und Weise einer Niederlage - sprich: der eigenen Dummheit, nicht angesichts des Geschlechts des Gegners.

Und dennoch, in diesem harmlosen Flachs unter Männern schwingt das alte Vorurteil mit: Frauen können eigentlich nicht Schach spielen, jedenfalls nicht so gut wie Männer. Oder wenigstens sind sie nicht zu Spitzenleistungen fähig. Wenn eine Frau gewinnt, dann hat sie der Mann höflicherweise gewinnen lassen.

Michail Botwinnik führte die schachliche Schwäche der Frauen auf Organisches zurück (pdf-Quelle). Zwar sei "der Umfang des Nervensystems ... bei Männern und Frauen gleich, aber ein bedeutender Teil wird für den Steuermechanismus des Organismus gebraucht. Und da wirkt es sich aus, dass der Organismus der Frauen komplizierter ist, vor allem deshalb, weil die Frauen Kinder zur Welt bringen. Da bleiben im Nervensystem der Frauen weniger Ressourcen für das Treffen von Entscheidungen.“

"Frauen können nicht fünf Stunden lang still sitzen", war Garri Kasparows einfache Erklärung, die er begründete: "Das liegt alles an den Unvollkommenheiten der weiblichen Psyche. Keine Frau kann einen längeren Kampf durchhalten. Sie kämpft gegen die Gewohnheit von Jahrhunderten und Jahrhunderten, seit Anbeginn der Welt." Eher könne ein Computer gegen ihn gewinnen als eine Frau. Ähnlich überzeugt gab sich seinerzeit schon Bobby Fischer: „Ich kann jeder Frau einen Springer vorgeben, und ich werde immer noch gewinnen." Aber was sein Verhältnis zu Frauen ganz allgemein betrifft, war Fischer ohnehin der Ansicht: "Schach ist besser."

Judit Polgár war die erste Frau, die den Großmeistertitel der Männer erringen konnte: GM, nicht "nur" WGM. Nach wie vor ist sie die Nummer 1 der Frauenweltrangliste und die einzige Frau in den Gesamt-Top 100. Einzig die Chinesin Hou Yifan kommt ihr allmählich auf die Fersen. 2009 unterlag Polgár erstmals einer Frau: Alexandra Kosteniuk, zu diesem Zeitpunkt Frauen-Weltmeisterin (ein Titel, um den sich Polgár nie bemüht hat), konnte eine Blitzpartie gegen sie gewinnen.

In einem Interview mit der TAZ 2002 erzählte Judit Polgár, wie es so ist, als einzige Frau in Männerturnieren zu bestehen. Mit welchen "unmöglichen Spitzen" sie zu tun hat(te), lässt sie im Unkonkreten, aber man kann es sich ausmalen. Und sie bestätigt, dass ihrer Meinung nach Männer Probleme damit haben, gegen Frauen anzutreten - aufgrund des "psychischen Drucks" der Mannschaftskameraden.

Längst ist nachgewiesen, dass es nicht mit einer grundsätzlichen Überlegenheit im logischen Denken zu tun hat, dass es mehr Spitzenschachspieler als -spielerinnen gibt. Vielmehr ist es ein schlichter statistischer Effekt: dass nämlich "die Unterlegenheit der Frauen nahezu exakt dem entspricht, was rechnerisch zu erwarten wäre angesichts des Frauenanteils unter den Schachspielern insgesamt". Aus einer größeren Basisgruppe gehen mit größerer Wahrscheinlichkeit größere Leistungen hervor. Eigentlich sollte an seinem eigenen logischen Denken zweifeln, wer daran nicht schon früher gedacht hat. Und das, obwohl Schach doch intelligenter macht.

Woran aber liegt es, dass es immer noch deutlich weniger Schachfrauen als Schachmänner gibt? Spontan fällt mir ein:
- Traditionell galt das Schachspiel nicht als angemessene Beschäftigung für Mädchen. Darum bekamen (bekommen?) es eher die Söhne beigebracht als die Töchter.
- Generell finden weniger Mädchen dauerhaft Gefallen an diesem "abstrakten" und "zweckfreien" Spiel als Jungen. Auch hier dürfte der Grund eher in der Erziehung und den gesellschaftlich vermittelten Rollenvorstellungen zu suchen sein als in biologischen Voraussetzungen.
- Ich vermute, verstärkend dürfte gewirkt haben (und noch wirken?), dass mehr Sponsoren- und Preisgelder für die Männerturniere fließen. Die besten Frauen können nicht vom Schach leben, im Gegensatz zu den besten Männern. In der Konsequenz muss es in der ohnehin kleineren Gruppe auch unter den Besten deutlich weniger Motivation geben, ausschließlich die Schachkarriere aufzubauen.
- Weitere Gründe?

Und natürlich, ein Detail nebenbei: Großes Aufhebens macht die Schachmännerwelt immer dann, wenn eine Frau nicht nur gut Schach spielt, sondern dazu auch noch gut aussieht. Das verlangt ja gleich doppelte Hirnakrobatik: Frau vs. Schach und Schönheit vs. Intelligenz. Die bereits genannte Alexandra Kosteniuk wirbt gerne als Fotomodell fürs Schach. Und wie lautet dann beispielsweise der erste Satz in einem Bericht über ihr Abschneiden bei der Blitzschach-WM 2009? "Schöne Frauen verführen Schachspieler zu riskantem Spiel." Immerhin liegt dem eine Studie zugrunde. Das überschießende Testosteron lässt uns also sogar auf dem Schachbrett den Prahlhans geben. Was will Mann machen.

Ich jedenfalls habe beim Schachspielen nie im Sinn, "Kavalier" zu sein. Ich will gewinnen, ganz gleich, ob gegen Männer oder Frauen. Und wenn ich verliere, dann war mein Gegenüber eben besser. Ende Gelände.

Nein, nicht ganz. Natürlich entstand dieser Artikel vor dem Hintergrund der aktuellen Sexismus-Debatte, und neben dem heutigen Blogeintrag von Mechthild Werner in unserem evkirchepfalz-Blog erlaube ich mir an dieser Stelle, auf lesenswerte Diskussionsbeiträge von Männern hinzuweisen:

Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach
Brüderle ist doch super
Derailing und die Lämmerfrage
    Anatol Stefanowitsch:
    Sagt ihnen nicht, dass sie sich hätten wehren sollen

    Matthias Jung:
    Aufschrei zwischen allgegenwärtigem Sex und alltäglichem Sexismus

    Und Wolfgangs Handlungskonsequenzen für Männer aus dem erstgenannten Artikel zitiere ich hier einfach mal. Sie wären ein Anfang - und eine erste Antwort auf Mechthilds Frage: "Was bleibt zu tun?"
    • "Herrenwitze" nicht lustig finden. Und das auch sagen. Ich mache eher gute Erfahrungen damit, irritiert zu sein, wenn in reinen Männerrunden Sexismus um sich greift. Dass das nachlässt, wenn ich dabei bin, verbirgt ihn zwar nur - aber jede der Minuten, in denen sich Männer wie Menschen benehmen, ist eine gute Minute.
    • Übergriffiges Verhalten benennen. Schwierig, wenn es jemand in der Hierarchie über dir ist, aber notwendig, denke ich. Ein Netzwerk aus Männern innerhalb von Unternehmen und Parteien und Organisationen und so zu gründen, das sich gegenseitig stützt, wenn jemand eingreift, kann dann helfen. Und der eigentliche Skandal im Brüderle-Fall ist doch, dass keiner der Kollegen eingriff, als der wandelnde Herrenwitz ihre Kollegin angriff.
    • Die Sprache ändern. Denn meine Erfahrung ist, dass allein die Tatsache, dass ich mir die Zeit nehme, in Gesprächen, Meetings, Präsentationen inklusive Sprache zu verwenden, und das, egal, wie die Gruppe zusammen gesetzt ist, das Verhalten sogar der Männer ändert, die eigentlich und innerlich Brüderle einen tollen Hecht finden.
    • Grenzen ziehen, auch wo es weh tut. 

    Mittwoch, 3. Oktober 2012

    Von Einheit sprechen


    Ich bin Deutscher, und ich bin Christ. Nein: Ich bin Westdeutscher, und ich bin evangelischer Christ. Na? Haben Sie's gemerkt? Sprache schafft Wirklichkeit. Wenn ich etwas oder jemandem, in diesem Fall mir selbst, einen Namen gebe, es bezeichne – dann unterscheide ich es oder ihn von anderen Dingen oder Menschen.

    Ich bin Deutscher: Betone ich das, dann grenze ich mich ab von allen Nichtdeutschen. Ich bin Christ: Ich grenze mich ab von allen Nichtchristen. Ich bin Westdeutscher – darin steckt: und nicht Ostdeutscher. Ich bin evangelischer Christ – darin steckt: und nicht katholischer.

    Wir bezeichnen, wir unterscheiden, wir grenzen ab. Und wir schaffen damit Wirklichkeit: Dinge, Tiere, Menschen, die zusammengehören – und solche, die nicht dazugehören. In der Bibel gehört diese Aufgabe zu den ersten, die der Mensch von Gott übertragen bekommt: „Wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen“ [Gen 2,19].

    Durch die Sprache erschaffen wir Unterschiede, und durch die Sprache erschaffen wir Gemeinsamkeiten. Die deutsche Wiedervereinigung war auch deshalb möglich geworden, weil aus dem gegen das DDR-Regime gerichteten Slogan „Wir sind DAS Volk!“ der Slogan „Wir sind EIN Volk!“ wurde.

    Die Verfasser des Aufrufs „Ökumene jetzt!“ vor einigen Wochen haben es genauso versucht. „Ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“ ist der Aufruf überschrieben, der gleich zu Beginn argumentiert: Getaufte sind Geschwister, Volk Gottes, Leib Christi, EINE Kirche eben – alles Vokabeln, die das Gemeinsame betonen.

    Ob ich denke, dass es genügt, von der Einheit zu sprechen, um die Einheit zu erreichen? Nein: Viele andere Faktoren spielen natürlich eine Rolle. Bei der deutschen Einheit waren auch wirtschaftliche und politische Motive treibende Kräfte. Und auch im ökumenischen Mit- und Neben- und Gegeneinander geht es um anderes als nur die richtige Bezeichnung.

    Aber wir könnten öfter das Gemeinsame betonen. Und uns, ehe wir besprechen, bewusst machen, ob wir trennen und abgrenzen oder zusammenbinden. Wir können mitarbeiten an der Gemeinschaft - allein durch bewusstes Sprechen.

    Montag, 14. Mai 2012

    Nur Scheiße zitiert?

    Jetzt ist sie also wieder verhüllt, die Tunika. In der feierlichen Vesper zum Schluss der Wallfahrt ist sie gestern Abend zurück in den Schrein in der Trierer Heilig-Rock-Kapelle gekommen.

    Eins muss ich jetzt wenigstens nicht mehr lesen: das derbe Wort Martin Luthers von der „Bescheißerei zu Trier“. Ich glaube, es gab kein evangelisches und kein säkulares Medium, das es nicht zitiert hat. Beim ersten oder zweiten Mal habe ich es ja noch mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen: so lief halt die Auseinandersetzung zu Luthers Zeiten. Beim dritten, vierten, fünften Mal habe ich mich aber dann gefragt: Welche Motivation steckt eigentlich dahinter, dieses Lutherwort immer wieder zu bringen? Nur selten waren ja noch ein oder zwei Sätze zur reformatorisch-theologischen Begründung für Luthers Ablehnung zu lesen.

    Und leider muss ich eher Primitives vermuten:
    • einmal die Lust daran, ein Tabu brechen zu können: nämlich, Fäkalsprache zu verwenden, und das gedeckt durch die Autorität des Reformators 
    • dann, bei evangelischen Medien: die Lust, der anderen Konfession eins reinwürgen zu können
    • und schließlich, bei weltlichen Medien: die Lust, Kirche generell eins reinwürgen zu können, und umso besser, wenn sich dabei auch noch Kirche gegen Kirche ausspielen lässt.
    So frage ich mich: Wie steht es um den "Dress-Code" zwischen den verschiedenen Kirchen und Konfessionen? Bedenken wir beim Ausbürsten und Sauberhalten unserer eigenen konfessionellen Kleider, ob wir diejenigen der anderen beschmutzen?

    Lasst uns doch bei dem, was wir sagen und tun, künftig stets kritisch fragen, ob es dem Miteinander dient.

    [Dieser Beitrag war am 14. Mai 2012 auf RPR1 als "Angedacht" zu hören]

    Samstag, 10. Dezember 2011

    Sterben ist suboptimal. Oder: Dürfen Pfarrer Kraftausdrücke verwenden, wenn sie übers Sterben sprechen?

    "Er weiß, dass er bei aller Welt viele schändliche Namen hat und stinkt wie ein Teufelsdreck, in Deutschland geschissen; wollte er vielleicht gern, dass er nicht allein vor andern so scheußlich stänke, sondern auch andre löbliche Fürsten bestänkern."

    So schrieb Luther in seiner Streitschrift "Wider Hans Worst", womit er den Herzog von Braunschweig meinte. Freilich handelt es sich um eine polemische Abrechnung mit seinen Gegnern, nicht um eine erbauliche oder seelsorgerliche Schrift. In seinem wunderbaren und unbedingt lesenswerten "Sermon von der Bereitung zum Sterben" wird man so etwas nicht finden.

    So bleibt die Frage, ob ich als Pfarrer so über das Sterben sprechen bzw. schreiben darf, wie ich es in meinem vorangegangenen Eintrag getan habe. Ich wollte nicht respektlos gegenüber Sterbenden oder Trauernden sein, sondern respektlos gegenüber dem Tod selbst, ihm keinen quasi-heiligen Schutzraum zugestehen, in dem es verboten wäre, ihn mit profanen Namen zu belegen.

    Der Ausgangssatz spukte schon länger in meinem Kopf herum, und der konkrete Anlass ließ mich die Gedanken recht spontan und schnell in einen Text fassen. Im Hintergrund stehen aber eigentlich alle Sterbefälle, die ich in den vergangenen 15 Jahren in meiner eigenen Familie erlebt habe, davon der jüngste erst wenige Wochen zurückliegend.

    Bezüglich der Wortwahl war ich selbst unsicher, weshalb ich den Text erst einige Zeit nach dem Verfassen ins Blog stellte - zwei Kollegen hatten mich zuvor noch darin bestärkt: Es sei richtig, dass der Tod (fast) immer zur Unzeit komme - und das S-Wort in einer schlimmen Trauersituation verwenden zu können, habe auch schon befreiende Wirkung gehabt.

    Unsicher war ich auch deshalb, weil ich selbst fast keine eigenen Erfahrungen in der Sterbebegleitung mitbringe, aber lesend wahrnehme, dass es dabei offenbar auch andere, versöhnlichere Abschiede gibt. Diese kommen in meinem Beitrag nicht vor.

    Auf Twitter erfuhr ich ausschließlich positive Resonanz. Der Beitrag wurde bis jetzt siebenmal per Retweet weiterverbreitet, eine Reaktion lautete einfach nur "danke!", während sich mit dem Braunschweiger Kollegen Güntzel Schmidt noch eine kleine Konversation entfaltete - um das von ihm eingebrachte Zitat Walt Whitmans: "To die is different from what anyone supposed, and luckier", Christoph Blumhardts Rede davon, dass Christen "Protestleute gegen den Tod sind", sowie die (vorbildhafte?) Haltung in 2.Sam 12, 21-23.

    Auf Facebook dagegen gab es kein einziges "Gefällt mir" und keinen Kommentar; wenigstens zwei oder drei Reaktionen sind normalerweise schon die Regel. Diese Zurückhaltung nehme ich deshalb als eher negative Resonanz wahr. Zumal ich auch eine persönliche Nachricht erhielt von jemandem, der erst vor kurzem einen nahen Familienangehörigen verloren hat und die Wortwahl als unangemessen und verletzend empfand.

    Deshalb denke ich nun: Es gibt wohl Situationen und Gespräche, in denen das betreffende Wort tatsächlich einen angemessenen Platz haben kann - darüber muss man aber zuvor als Seelsorger eine Einschätzung über den jeweiligen Einzelfall gewonnen haben. Es eignet sich eher nicht, um sich damit von vorneherein an die Allgemeinheit zu wenden.

    Oder was meint ihr / was meinen Sie? Rechtfertigt "dem Volk aufs Maul schauen" zu wollen, auch hin und wieder die Verwendung von Kraftausdrücken? Oder haben wir auch hier als Menschen, die in der und für die Kirche sprechen, Vorbildfunktion, und sollten unsere Sprache, wie von gewalthaltigen Phrasen, so auch rein halten von Fäkalsprache?

    Dienstag, 22. Februar 2011

    Wie eine halbwegs annehmbare Presseerklärung aussehen könnte, nachdem man als Plagiator überführt wurde

    Innerlich zerknirscht trete ich heute vor Sie. Ich habe Ihnen ein Geständnis zu machen, das mir nicht leicht fällt: Ich habe bei der Erlangung meines Doktorgrades betrogen. Der Betrug geschah aus rein egoistischen Motiven, aus Eigennutz im Blick auf meine weitere berufliche Karriere. Ich habe damals feststellen müssen, dass ich nicht fähig war, die für eine Dissertation erforderliche mühevolle Kleinstarbeit neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater zu leisten. Darum habe ich die bezahlten Dienste eines studentischen Ghostwriters in Anspruch genommen. Wie sich herausgestellt hat, wurde mein Betrug im Gegenzug ebenfalls mit Betrug vergolten.

    Mein Verhalten ist unentschuldbar; darum verzichte ich an dieser Stelle auf eine Bitte um Entschuldigung. Stattdessen möchte ich mein tief empfundenes Bedauern zum Ausdruck bringen. Ich bedauere für jedes einzelne nicht gekennzeichnete Zitat, dass den jeweiligen Autorinnen und Autoren die ihnen zustehende Reputation versagt geblieben ist, indem ich ihre Worte für meine ausgab. Ich bedauere den Schaden, den ich dem Ansehen meines Doktorvaters, der Promotionskommission und der Universität XXX insgesamt zugefügt habe. Ich rechne mit dem Entzug des Titels durch die Universität und werde diese Entscheidung nicht anfechten, denn es ist die einzig gerechte und richtige. Ich bedauere, viele Menschen getäuscht und enttäuscht zu haben, die in mich große Hoffnungen setzten. Ich schäme mich für mein Verhalten und bereue es zutiefst.

    "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht", so lautet ein altbekanntes Sprichwort. Deshalb habe ich nicht den geringsten Anspruch darauf, dass Sie in Bezug auf mein politisches / kirchliches /... Amt weiterhin Ihr Vertrauen in mich setzen. Ich kann nur versuchen, Ihnen zu versichern, dass diese in vollem Bewusstsein vollzogene, absichtsvolle Täuschung die bisher einzige war und bleiben wird. Und ich versichere Ihnen, dass ich gewillt bin, mein Amt als XXX tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen - im Unterschied zu meiner Doktorarbeit, für die ich dies nur vorgegeben habe.

    Ich sagte es: Entschuldigen lässt sich mein Verhalten nicht. Aber vielleicht gewähren Sie mir Ihre Vergebung, so dass ich die begonnene Arbeit fortsetzen und mich bewähren kann. Verdient habe ich es nicht. Ich weiß, was ich Ihnen allen für diesen Fall schuldig bin und werde danach handeln.

    Ich danke Ihnen.

    [Dieser Beitrag enthält ein nicht gekennzeichnetes wörtliches Zitat einer prominenten Person ;-) ]

    Montag, 27. Juli 2009

    Zum 100. Geburtstag von Hilde Domin: Ein Lieblingsstück in meiner Bibliothek

    Meine Hand
    greift nach einem Halt und findet
    nur eine Rose als Stütze.


    Im Februar 2006 verstarb die Lyrikerin Hilde Domin im Alter von 96 Jahren. Seit 1961 hatte sie in Heidelberg gelebt. Heute, am 27. Juli 2009, hätte sie ihren 100. Geburtstag feiern können.

    Meine erste Begegnung mit Hilde Domin, genauer: mit ihren Texten, geschah - natürlich? - im Deutschunterricht; wenn ich mich recht erinnere, sogar erst in der Oberstufe, im Leistungskurs. Welche Domin-Gedichte wir lasen und interpretierten, weiß ich nicht mehr, aber in meinem Kopf setzte sich eine Wendung aus ihren Frankfurter Poetik-Vorlesungen fest, die unser Deutschlehrer einmal erläuternd gebrauchte: Dass nämlich moderne Gedichte sich auszeichnen durch ihre potentielle "Virulenz". Damals hatte ich das Gefühl, als wäre ich der einzige aus unserem Kurs gewesen, der sich diese Formulierung merkte. Es war mir so auf Anhieb einleuchtend, und dieses Wort fasste es so prägnant zusammen: dass ein Gedicht nie nur das bedeutet, was der Dichter, die Dichterin, bewusst hineinlegt. Dass seine Bedeutung mit jedem neuen Leser je neu entsteht, jede Leserin selbst mit dem Lesen oder Hören und Deuten des Gedichtes einen schöpferischen Akt vollbringt - ohne dass dies ein beliebiger Vorgang wäre, denn es sind ja keine beliebigen Worte. Dass es geradezu Aufgabe der Lyrikerin ist, eine "unspezifische Genauigkeit" hervorzubringen, was sehr viel auch mit Klängen, mit der Musik des Textes zu tun hat. Später wurde mir bewusst, dass auch vielen Bibeltexten diese potentielle Virulenz eigen ist.

    Dass ich ausgerechnet 1992 mein Abitur machte und dabei auch noch die Ehre und Freude hatte, mit dem Scheffelpreis ausgezeichnet zu werden: Glücklicher Zufall oder Fügung? Jedenfalls bekam ich mit Urkunde und kostenloser 5-Jahres-Mitgliedschaft in der Literarischen Gesellschaft auch noch die Mitglieder-Jahresgabe des Vorjahres 1991 überreicht: ein Hilde-Domin-Lesebuch mit ausgewählter Lyrik und Prosa. Es ist eine Sonderausgabe, die meines Wissens so nicht über den Buchhandel erhältlich war bzw. ist:



    Das Buch scheint nach wie vor über die Literarische Gesellschaft erhältlich zu sein (Menü: Publikationen/Jahresgaben) - ob auch für Nichtmitglieder, kann ich nicht sagen.

    Im selben Jahr, 1992, begann ich mit dem Theologiestudium. Und auch dabei gab es den einen oder anderen Kontakt mit einem Text Hilde Domins, beispielsweise mit dem fast schon monumental zu nennenden "Abel steh auf" (das aber natürlich auch in der genannten Jahresgabe schon enthalten war). Ein Auszug:

    wenn du nicht aufstehst Abel
    wie soll die Antwort
    diese einzig wichtige Antwort
    sich je verändern
    wir können alle Kirchen schließen
    und alle Gesetzbücher abschaffen
    in allen Sprachen der Erde
    wenn du nur aufstehst
    und es rückgängig machst
    die erste falsche Antwort
    auf die einzige Frage
    auf die es ankommt
    steh auf
    damit Kain sagt
    damit er es sagen kann
    Ich bin dein Hüter
    Bruder
    wie sollte ich nicht dein Hüter sein


    Im Mai 1996 wurde das Büchlein zu einem Lieblingsstück in meiner bescheidenen kleinen Privatbibliothek. Ich besuchte eine Lesung Hilde Domins in der Evangelischen Studierendengemeinde Heidelberg und ließ es mir signieren. Sie wirkte etwas überrascht, dass jemand mit diesem Buch ankam, und sagte: "Ach, Sie haben diese Ausgabe bekommen? Das ist eine schöne Ausgabe." Leider ist inzwischen aufgrund mangelhafter Klebebindung zwischen den Seiten 62 und 63 der Buchblock gebrochen.





    Einige Jahre später, es muss 2003 oder 2004 gewesen sein, besuchte ich nochmals eine ihrer Lesungen, diesmal in der Aula eines Heidelberger Gymnasiums. Dauerhaft in Erinnerung geblieben ist mir jedoch die 1996er Lesung. Es war so eine familiäre Atmosphäre, dort im ESG-Saal, mit der Dichterin auf Augenhöhe zu sein, sie aus solcher Nähe ihre Werke vortragen zu hören (jeweils immer zweimal), mit zugleich brüchiger und klarer Stimme.

    Besser ein Messer als ein Wort.
    Ein Messer kann stumpf sein.
    Ein Messer trifft oft
    am Herzen vorbei.
    Nicht das Wort.


    Noch zwei Tipps anlässlich des 100. Geburtstags von Hilde Domin:

    Technorati-Tags: , , , ,

    Montag, 1. Dezember 2008

    Computer sind illegal!

    Spaßeshalber mal wieder etwas aus der Rubrik "Sprachpflege":
    In der Meldung "Richter lehnen PC-Rundfunkgebühr ab" vom 24. November auf netzeitung.de lautet der erste Satz:
    Das Verwaltungsgericht Wiesbaden zweifelt an einer Rechtsgrundlage für solche Geräte.
    Kein Wunder: Computer machen faul, dick und süchtig. Solche mit Internetanschluss regen im schlimmsten Fall zu eigenständiger Information und Urteilsbildung in gesellschaftspolitischen Sachverhalten an, im nicht weniger schlimmen zur kritiklosen Übernahme haltloser Behauptungen.
    Gegen den Verkauf dieser Geräte sollte dringend mit harter Hand vorgegangen werden!

    Donnerstag, 4. September 2008

    Ich tue mir schwer mit "Ich tue mich schwer"

    Das scheint eine eher regional verortete Sache zu sein: Umgangssprachlich, von meiner saarländischen Herkunft her, bin ich gewohnt, "Ich tue mir schwer damit" zu sagen. Jetzt, wo ich den Satz vor mir in einer zu redigierenden Rundfunkandacht lese, kommt er mir irgendwie falsch vor. Und weil mir dieses Problem vor kurzem bereits irgendwo begegnet ist, schlage ich endlich im Duden nach. Und der sagt:
    - ich habe mich, selten mir damit schwergetan (ugs.)
    Geht also beides. Aber ich korrigiere es dann doch in die laut Duden häufiger verwendete Form.

    Donnerstag, 29. Mai 2008

    It told me so - Ähs hat mir's gesaat

    Sehr nett und lustig: Die englischsprachige Wikipedia versucht den saarländischen Dialekt zu erklären:
    Women and girls are often referred to using the neuter grammatical gender, es, with the pronunciation being something like Ähs. Ähs hat mir's gesaat (it told me so, instead of she told me so; vs. High German: Sie hat es mir gesagt). This stems from the word Mädchen (girl) being neuter in German (es is correct in German when referring to words like Mädchen but would not be used by itself in reference to a woman).
    http://en.wikipedia.org/wiki/Saarland#Local_dialect