Montag, 14. Mai 2012

Nur Scheiße zitiert?

Jetzt ist sie also wieder verhüllt, die Tunika. In der feierlichen Vesper zum Schluss der Wallfahrt ist sie gestern Abend zurück in den Schrein in der Trierer Heilig-Rock-Kapelle gekommen.

Eins muss ich jetzt wenigstens nicht mehr lesen: das derbe Wort Martin Luthers von der „Bescheißerei zu Trier“. Ich glaube, es gab kein evangelisches und kein säkulares Medium, das es nicht zitiert hat. Beim ersten oder zweiten Mal habe ich es ja noch mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen: so lief halt die Auseinandersetzung zu Luthers Zeiten. Beim dritten, vierten, fünften Mal habe ich mich aber dann gefragt: Welche Motivation steckt eigentlich dahinter, dieses Lutherwort immer wieder zu bringen? Nur selten waren ja noch ein oder zwei Sätze zur reformatorisch-theologischen Begründung für Luthers Ablehnung zu lesen.

Und leider muss ich eher Primitives vermuten:
  • einmal die Lust daran, ein Tabu brechen zu können: nämlich, Fäkalsprache zu verwenden, und das gedeckt durch die Autorität des Reformators 
  • dann, bei evangelischen Medien: die Lust, der anderen Konfession eins reinwürgen zu können
  • und schließlich, bei weltlichen Medien: die Lust, Kirche generell eins reinwürgen zu können, und umso besser, wenn sich dabei auch noch Kirche gegen Kirche ausspielen lässt.
So frage ich mich: Wie steht es um den "Dress-Code" zwischen den verschiedenen Kirchen und Konfessionen? Bedenken wir beim Ausbürsten und Sauberhalten unserer eigenen konfessionellen Kleider, ob wir diejenigen der anderen beschmutzen?

Lasst uns doch bei dem, was wir sagen und tun, künftig stets kritisch fragen, ob es dem Miteinander dient.

[Dieser Beitrag war am 14. Mai 2012 auf RPR1 als "Angedacht" zu hören]

9 Kommentare:

  1. Danke für diesen Beitrag, der dafür wirbt, das, was anderen heilig ist, nicht in den Schmutz zu ziehen.
    Protestantismus und der "Heilige Rock" ist zur Zeit Montsthema bei Evangelisch.de. Dort habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass in sehr vielen Kommentaren genau das passiert: das beim Ausbürsten unserer eigenen konfessionellen Kleier diejenigen der anderen beschmutzt werden.Ich finde es ausgesprochen schade, dass es offensichtlich so schwer fällt, Respekt vor anderen Konfessionen zu haben - auch wenn ich mal nicht verstehe, warum bestimmte Dinge anderen wichtig sind, mit denen ich aber wenig anfangen kann.

    kreuzpatsch

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    1. Einen alten Stofffetzen anzubeten und zu heiligen verdient keinen Respekt - in meinen Augen als Nichtchrist ist es einfach lächerlich und peinlich.

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    2. Vielen Dank für dieses äußerst instruktive Beispiel mangelnder Umgangsformen. Es illustriert sehr anschaulich, was ich meine.

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    3. Es scheint mir,dass eher aufgezeigt wird, dass dieser Umgang mit Reliquien für viele Menschen sehr befremdlich und nicht nachvollziehbar ist.
      Mich als Protestanten hat es an die Geschichte 'des Kaisers neue Kleider' erinnert.

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    4. Ich sehe schon einen deutlichen Unterschied darin, ob ich zum Ausdruck bringe, dass für mich selbst etwas "befremdlich und nicht nachvollziehbar ist" - oder ob ich das Tun und Glauben anderer als "lächerlich und peinlich" herabwürdige und ihnen außerdem nicht einmal ein Mindestmaß an Respekt entgegen bringen will.

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    5. Ich kann die Sehnsucht des Menschen, das, woran er glaubt, dass es existiere, auch handgreiflich zu berühren durchaus verstehen. Ich kann aber auch verstehen, wenn jemand, der diese Sehnsucht aus welchen Gründen auch immer nicht hat, der Meinung ist, es handele sich um "einen alten Fetzen". Ich kann zum Dritten verstehen und muss es tolerieren, wenn beide ihre Meinung auch entsprechend kundtun. Ob sie das auf beiden Seiten immer gleich qualifiziert tun, ist eine andere Frage.. beide tun es aber immerhin, jeder auf seine Weise individuell wahrheitsgemäß und daher müssen sie, so meine Meinung, einander aushalten so wie sie sind. Ich glaube dran . du glaubst nicht dran - du brauchst Beweise - ich brauche keine - gut. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen, außer dass ich persönlich auch mehr zu der Variante "alter Fetzen" tendiere..

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    6. Mit dieser Grundhaltung kann ich im Großen und Ganzen mitgehen. Mir geht es darum, persönlich-beleidigende Attacken nach Möglichkeit zu unterlassen; eine Sensibilität dafür zu entwickeln, wo das, was ich sage, den anderen verletzen könnte, auch wenn ich selbst an dieser Stelle nicht so empfindlich wäre (dafür vielleicht an anderen?) Oder wie Max Frisch es ausdrückte: Dem anderen die Wahrheit (oder in diesem Fall das, was ich dafür halte) nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren hauen, sondern wie einen warmen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann.

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  2. A pro po andere Glaubensformen:
    Fußball ist ja auch schon religiös aufgeladen und mit liturgischen Elementen versehen ( siehe Info evangelisch.de) Reliquien gibt es da auch z.b. den Elfmeterpunkt aus dem Rasen.
    Eine evangelische Abgrenzung zu solchem Tun würde ich erfrischend finden, ist aber nach der Wallfahrt - finde ich - deutlich schwieriger geworden.

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  3. Außerdem gibt es dazu zu viele Fußballbegeisterte in der Kirche.
    Vgl. a. http://www.ekd.de/kirche-und-sport/fussball/em2012.html
    ;-)
    Scherz beiseite: Ich denke, es gibt zwei ganz klare Punkte, gegenüber denen die (nicht nur) evangelische Abgrenzung selbstverständlich ist: erstens, wo Fußball - oder Sport allgemein - zum Anlass genommen wird für gewalttätige Ausschreitungen; und zweitens, wo Fußball-Fandom zum einzig lebensbestimmenden Thema wird, denn damit wäre es Ausdruck einer unheilvollen innerweltlichen Abhängigkeit, woraus uns Gott durch Christus befreit hat und immer noch befreit.

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