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Montag, 21. März 2022

Der Brüchigkeit der Zeit etwas entgegenhalten

Am Sonntag, dem 20. März 2022, haben wir in der Prot. Kirche Altrip unseren vom 6. März verschobenen "MITTENDRIN"-Gottesdienst gefeiert. Im Mittelpunkt stand der 31. Psalm und besonders der 16. Vers "Meine Zeit steht in deinen Händen" (Luther) bzw. "In deiner Hand ruht meine Zeit" (BigS). Thematisch angeregt war der Gottesdienst durch ein Materialheft des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Wir haben im Team im Zuge der Aneignung des Materials natürlich auch auf die Situation in der Ukraine Bezug genommen. Hier dokumentiere ich meine Kurzpredigt.

Meine Zeit steht in deinen Händen
haben wir zu Beginn gesungen
Eine Zeile, entnommen einem größeren Zusammenhang
Zwei Pole: ein Sprecher - ein Gegenüber:
Meine Zeit - in deinen Händen
Entnommen, wir haben es schon gehört, dem 31. Psalm.
Einem Gebet also, oder einem Gebetslied, gerichtet an Gott.

Was heißt das dann: steht in deinen Händen?
Wenn das zu Gott gesagt wird?
Gegenwärtig erleben wir auf erschreckende Weise Anderes:
Wie Menschenzeit in Menschenhänden liegt
In den Händen der Mächtigen, die kommandieren,
zu kämpfen befehlen, auf Leben und Tod.
Wie sehr sprechen da auch andere Zeilen des Psalms in unsere Zeit hinein:

Dem Gefühl der Angst und Ohnmacht entgegenwirken

In diesen Tagen bringen ehrenamtliche Austrägerinnen und Austräger die Frühjahrsusgabe des Gemeindebriefs "Kirchenfenster" zu unseren Gemeindegliedern nach Hause. Hier dokumentiere ich mein Editorial (wie auch schon auf der Homepage der Altriper Kirchengemeinde).

Vieles ist passiert seit der Herbst/Winter-Ausgabe unseres Kirchenfensters. Vieles, wovon die meisten von uns nicht im Traum gedacht hätten, dass es überhaupt jemals wieder passieren könnte. Fast erscheint die Coronapandemie im Rückblick nun wie eine Vorübung in Krisenmanagement, als ein Sich-Einstimmen auf noch Größeres - den weltpolitischen Konflikt und die inneren und gesellschaftlichen Konflikte, die er mit sich bringt.

Ich schreibe diese Zeilen am Sonntag Reminiszere, dem 13. März 2022, und weiß nicht, was in der Zwischenzeit in der Ukraine und hier bei uns geschehen sein wird, bis Sie diese Ausgabe in Händen halten. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes heute, noch am Anfang der Passionszeit, stand die Szene im Garten Getsemane: Jesus, wie      er sich, von Todesangst übermannt, dreimal zurückzieht, um zu beten. Dreimal tritt er in das gedankliche Ringen mit sich und seinem erwarteten Geschick ein, dreimal fleht er zu Gott: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Und dreimal muss er es laut betend aussprechen, um es für sich annehmen zu können: „Wenn es aber nicht möglich ist, soll geschehen, was du willst!“

Dienstag, 1. März 2022

Gedanken in Kriegszeiten - Von Waffenlieferungen und Politik mit der Bergpredigt

Ein paar Gedanken. Ins Unreine. Zeugnis eines Ringens mit mir selbst, mit der Welt, mit dem Glauben. Eigentlich nur für mich selbst geschrieben, getippt in mein Journal. Aber heute teile ich sie mit euch. Seid gnädig.


So viele Gedanken in diesen Tagen. So schwer in Worte zu fassen. Bruchstücke. In die eine Richtung, dann in die Gegenrichtung. Was ist richtig, was ist falsch? Nachdenken über Dinge wie: Landesverteidigung … sofortige Kapitulation … gewaltloser Widerstand … Frieden schaffen ohne Waffen … Realismus … Ach.

Deutschland liefert Waffen an eine Kriegspartei. Zur Selbstverteidigung. Es wird am Ausgang des Krieges in der Ukraine nichts ändern. Russland wird siegen. Die Unterstützung der Angegriffenen wird den Krieg "bestenfalls" - schlimmstenfalls - in die Länge ziehen. Mehr Tote. Schnellere Kapitulation verringert Kriegsopfer, ist es nicht so? Ist die Waffenlieferung nicht auch (nur?) ein politisches Deckmäntelchen? Um sich moralisch gegenüber den anderen Ländern nicht unterlegen zu fühlen? Kriegsmoralisch. Nicht allein dazustehen, nicht die einzigen zu sein, die keine "Hilfe" leisten.

Sonntag, 27. Februar 2022

Schuldbekenntnis angesichts des Kriegs in der Ukraine

Gott, wir sind schuldig vor dir geworden.
Schuldig als solche, die für deine ganze Menschheit stehen.
Und schuldig ganz individuell.
 
Gott, wir handeln nicht nach deinen Geboten.
Wir missachten deinen Willen.
Denn „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“.
Und doch führen wir Menschen Krieg.
Und das zieht so viel andere Schuld nach sich.
 
Schuldig sind wir,
uns Horrorszenarien auszumalen, die alles noch schlimmer machen, als es eh schon ist, von Weltkrieg und Atomkrieg.
Schuldig, uns von Schlagzeilen mit diesen Begriffen besonders ansprechen zu lassen und sie fast begierig anzuklicken, die Zeilen zu lesen.
 
Schuldig sind wir, uns hier um uns selbst zu sorgen,
welche Belastungen auf uns zukommen mögen
an höheren Energiepreisen
und wie unser gutes Leben davon wohl eingeschränkt sein wird.
 
Schuldig sind wir, Zahlen und Statistiken und Karten und Truppenbewegungen zu verfolgen und zu vergleichen, als wäre es ein großes Stratego-Spiel.
 
Schuldig sind wir,
der Faszination des Schrecklichen zu unterliegen.
 
Schuldig auch der Heldenverehrung - mit klopfendem Herzen die Videobotschaften des ukrainischen Präsidenten zu verfolgen oder die Meldungen von hartnäckigem Widerstand unter Einsatz des eigenen Lebens.
 
Schuldig sind wir, mit dem Gedanken zu spielen, ob ein Tyrannenmord schon gerechtfertigt wäre und helfen könnte.
 
Schuldig sind wir, Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet zu unterstützen und so noch mehr Öl ins Feuer zu gießen – und schuldig wären wir gewesen, es nicht zu tun und so den Angegriffenen nicht Hilfe zur Verteidigung zu leisten. Das Teuflische des Krieges: Niemand bleibt ohne Schuld.
 
So groß ist unsere Schuld.
Dir bekennen wir sie.
Erbarme dich unser.
Gib uns ein neues Herz und einen neuen Geist,
damit wir suchen, was dem Frieden dient.
Amen.

Montag, 14. September 2020

Neben Zachäus auf dem Ast - Bis nach Moria schauen

 Predigt im Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2020, in der Prot. Kirche Altrip

Predigttext: Lk 19, 1-10

Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Predigt[1]

Liebe Gemeinde!

Das ist jetzt schon ein bisschen paradox:

Ich klettere auf die Kanzel, um besser gesehen und gehört zu werden, wenn ich rede – rede von einem, der auf einen Baum geklettert ist, um besser sehen und hören zu können: denjenigen, der da in die Stadt kommt, von dem alle reden, und der zu den Menschen redet wie sonst noch keiner.

Aber so sind wir es gewöhnt:

Wer etwas zu sagen hat, der steigt hinauf – auf eine Kanzel, eine Bühne; der tritt nach vorne – an ein Redepult; der sitzt vorne, am Kopfende.

Bei Jesus ist das oft anders. Gut, zur Bergpredigt ist er auch ein bisschen höher hinaufgestiegen, um zu den vielen sprechen zu können. Und ein anderes Mal heißt es, er sei in ein Boot gestiegen und ein kleines Stück hinausgefahren, um von dort zu den Menschen am Ufer zu sprechen.

Aber meistens, so kommt es mir vor, ist er doch mitten unter den Menschen, umringt von ihnen, sobald er irgendwo hinkommt. Denkt an die Geschichte mit dem Gelähmten, den seine Freunde durchs Dach herablassen zu Jesus, weil das Häuschen so voller Leute ist, dass sie nicht mehr durch die Tür kamen.

Und hier kommt Jesus nach Jericho, und gleich umgibt ihn eine Menge, so dass jemand von kleinerer Gestalt wie Zachäus keine Chance hat, auch nur einen Blick auf ihn zu erhaschen.

Sonntag, 15. November 2015

Wir betrauern die Toten - wir begrüßen das Leben! #PrayForParis

Aus der Predigt im Vorstellungsgottesdienst der neuen Konfirmand/innen,
Protestantische Kirche Altrip, 15. November 2015


Liebe Gemeinde,
Sie sind heute in eine bunte Kirche gekommen
Geschmückt mit Luftballons
Mit Batiktüchern an Kanzel und Altar
und den farbenfroh gestalteten Selbstporträts der Präparandinnen und Präparanden.
Und manch fröhliches Lied haben sie ausgesucht.


Ist das unpassend, nach dem, was am Freitagabend geschehen ist?

Samstag, 25. September 2010

455 Jahre Augsburger Religionsfrieden

Cuius regio, eius religio – Wessen Land, dessen Religion. Das ist der Kern des Augsburger Religionsfriedens. Heute vor 455 Jahren wurde er geschlossen, am 25. September 1555. Er sicherte den Anhängern der Reformation die Anerkennung ihres Bekenntnisses.

Cuius regio, eius religio: Das bedeutet, der jeweilige Landesfürst gibt für seine Untertanen die Religion vor. Wer die nicht annehmen will, kann ja auswandern. Wirkliche Religionsfreiheit war das nicht. Frei, ihre Religion zu wählen, waren nur die Landesherren. Es war eine Kompromisslösung, immerhin.

Unüberbrückbare Glaubensgegensätze gab es aber weiterhin – zumal neben dem katholischen nur das lutherische Bekenntnis anerkannt war, nicht aber das reformierte. Ab 1618 traten die Gegensätze aufs Neue hervor, als der Dreißigjährige Krieg ausbrach. An dessen Ende wurde "cuius regio, eius religio" bestätigt, diesmal auch für die Reformierten.

Der Augsburger Religionsfriede von 1555 brauchte fast ein Jahrhundert, bis er sich durchsetzte. Seine bleibende Bedeutung hat das eher noch gesteigert.

Das Recht, den eigenen Glauben selbst zu wählen, sprechen wir heute jedem einzelnen zu. Weil keine Macht der Welt die Menschen davon abhalten kann, ihr Seelenheil zu suchen, muss es die Freiheit dazu geben. Hier bei uns – und überall sonst auf der Welt.

[Dieser Beitrag ist auch als Rundfunkandacht in der Reihe "Feels Like Heaven" bei Rockland Radio gelaufen. Anhören! (mp3-Datei)]

Dienstag, 12. Januar 2010

Was die Käßmann-Kritiker eigentlich sagen wollten

Peace, Paix, Paz, Pace, Frieden, Vrede, PaxImage by Pink Sherbet Photography via Flickr
"Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Das wissen die Menschen in Dresden besonders gut! Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen. Manche finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir, etwas zynisch, ich meinte wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen. Vor gut zwanzig Jahren haben viele Menschen die Kerzen und Gebete auch hier in Dresden belächelt...."
Was bedeutet es, wenn dieser Abschnitt zum Thema Afghanistan in der Neujahrspredigt der EKD-Ratsvorsitzenden Käßmann - den jedermann Wort für Wort online nachlesen konnte und kann - aus verschiedenen Lagern so scharfen Widerspruch und Ablehnung erfährt? Doch eigentlich, dass die Kritiker dies sagen wollten:
"Alles ist gut in Afghanistan. Soldaten benutzen Waffen und es werden eben auch Zivilisten getötet. Uns werden weitere Strategien einfallen, die deutsche Öffentlichkeit darüber hinwegzutäuschen.
Das wissen die Menschen in Dresden besonders gut! Wir brauchen mehr Menschen, die vor der Logik des Krieges erschrecken, damit sie darauf verzichten, ein klares Friedenszeugnis in der Welt abzugeben und gegen Gewalt und Krieg aufzubegehren. Unser Ziel ist, dass sie sagen:
Eine Hoffnung auf Gottes Zukunft haben wir nicht.
Alternativen zu unserem Handeln in der Gegenwart brauchen wir nicht.
Denn Waffen schaffen doch ganz offensichtlich Frieden in Afghanistan.
Wir brauchen sonst keine Fantasie für den Frieden. Andere Formen der Konfliktbewältigung sind überflüssig. Sie würden bei weitem nicht so viel bewirken wie unsere Einigkeit im pragmatischen Ruf zu den Waffen.
Soll bloß keiner auf die Idee kommen, Kerzen anzuzünden und Gebete zu sprechen, wie vor gut zwanzig Jahren in Dresden ..."
Oder?
Wir werden sehen, wie es nach dem "vertrauensvollen Gespräch" nun weitergeht.