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Montag, 21. März 2022

Der Brüchigkeit der Zeit etwas entgegenhalten

Am Sonntag, dem 20. März 2022, haben wir in der Prot. Kirche Altrip unseren vom 6. März verschobenen "MITTENDRIN"-Gottesdienst gefeiert. Im Mittelpunkt stand der 31. Psalm und besonders der 16. Vers "Meine Zeit steht in deinen Händen" (Luther) bzw. "In deiner Hand ruht meine Zeit" (BigS). Thematisch angeregt war der Gottesdienst durch ein Materialheft des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Wir haben im Team im Zuge der Aneignung des Materials natürlich auch auf die Situation in der Ukraine Bezug genommen. Hier dokumentiere ich meine Kurzpredigt.

Meine Zeit steht in deinen Händen
haben wir zu Beginn gesungen
Eine Zeile, entnommen einem größeren Zusammenhang
Zwei Pole: ein Sprecher - ein Gegenüber:
Meine Zeit - in deinen Händen
Entnommen, wir haben es schon gehört, dem 31. Psalm.
Einem Gebet also, oder einem Gebetslied, gerichtet an Gott.

Was heißt das dann: steht in deinen Händen?
Wenn das zu Gott gesagt wird?
Gegenwärtig erleben wir auf erschreckende Weise Anderes:
Wie Menschenzeit in Menschenhänden liegt
In den Händen der Mächtigen, die kommandieren,
zu kämpfen befehlen, auf Leben und Tod.
Wie sehr sprechen da auch andere Zeilen des Psalms in unsere Zeit hinein:

Dem Gefühl der Angst und Ohnmacht entgegenwirken

In diesen Tagen bringen ehrenamtliche Austrägerinnen und Austräger die Frühjahrsusgabe des Gemeindebriefs "Kirchenfenster" zu unseren Gemeindegliedern nach Hause. Hier dokumentiere ich mein Editorial (wie auch schon auf der Homepage der Altriper Kirchengemeinde).

Vieles ist passiert seit der Herbst/Winter-Ausgabe unseres Kirchenfensters. Vieles, wovon die meisten von uns nicht im Traum gedacht hätten, dass es überhaupt jemals wieder passieren könnte. Fast erscheint die Coronapandemie im Rückblick nun wie eine Vorübung in Krisenmanagement, als ein Sich-Einstimmen auf noch Größeres - den weltpolitischen Konflikt und die inneren und gesellschaftlichen Konflikte, die er mit sich bringt.

Ich schreibe diese Zeilen am Sonntag Reminiszere, dem 13. März 2022, und weiß nicht, was in der Zwischenzeit in der Ukraine und hier bei uns geschehen sein wird, bis Sie diese Ausgabe in Händen halten. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes heute, noch am Anfang der Passionszeit, stand die Szene im Garten Getsemane: Jesus, wie      er sich, von Todesangst übermannt, dreimal zurückzieht, um zu beten. Dreimal tritt er in das gedankliche Ringen mit sich und seinem erwarteten Geschick ein, dreimal fleht er zu Gott: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Und dreimal muss er es laut betend aussprechen, um es für sich annehmen zu können: „Wenn es aber nicht möglich ist, soll geschehen, was du willst!“

Montag, 14. September 2020

Neben Zachäus auf dem Ast - Bis nach Moria schauen

 Predigt im Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2020, in der Prot. Kirche Altrip

Predigttext: Lk 19, 1-10

Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Predigt[1]

Liebe Gemeinde!

Das ist jetzt schon ein bisschen paradox:

Ich klettere auf die Kanzel, um besser gesehen und gehört zu werden, wenn ich rede – rede von einem, der auf einen Baum geklettert ist, um besser sehen und hören zu können: denjenigen, der da in die Stadt kommt, von dem alle reden, und der zu den Menschen redet wie sonst noch keiner.

Aber so sind wir es gewöhnt:

Wer etwas zu sagen hat, der steigt hinauf – auf eine Kanzel, eine Bühne; der tritt nach vorne – an ein Redepult; der sitzt vorne, am Kopfende.

Bei Jesus ist das oft anders. Gut, zur Bergpredigt ist er auch ein bisschen höher hinaufgestiegen, um zu den vielen sprechen zu können. Und ein anderes Mal heißt es, er sei in ein Boot gestiegen und ein kleines Stück hinausgefahren, um von dort zu den Menschen am Ufer zu sprechen.

Aber meistens, so kommt es mir vor, ist er doch mitten unter den Menschen, umringt von ihnen, sobald er irgendwo hinkommt. Denkt an die Geschichte mit dem Gelähmten, den seine Freunde durchs Dach herablassen zu Jesus, weil das Häuschen so voller Leute ist, dass sie nicht mehr durch die Tür kamen.

Und hier kommt Jesus nach Jericho, und gleich umgibt ihn eine Menge, so dass jemand von kleinerer Gestalt wie Zachäus keine Chance hat, auch nur einen Blick auf ihn zu erhaschen.

Montag, 9. März 2020

Ich seh dich - Du und ich ein Selfie Gottes

Kurzpredigt im MITTENDRIN-Gottesdienst am 8.3.2020 in der Prot. Kirche Altrip

Ich seh' dich.
Wer sagt das zu wem?
Ein Mensch zum anderen Menschen.
Ein Mensch zu Gott.
Gott zum Menschen.
Ich seh dich.

Du siehst mich.
Das war vor drei Jahren die Losung für den Ökumenischen Kirchentag.
Und auch das hatte zumindest diese Zweiseitigkeit.
Du, Mensch, siehst mich.
Du, Gott, siehst mich.

Du bist ein Gott, der mich sieht, ansieht.
Hagar sagt diesen Satz, eine Frau im Alten Testament.
Sie ist die Magd von Abram und seiner Frau Sarai.
Und Sarai würdigt sie herab.
Demütigt sie.
Sie hat kein Ansehen.
Und sie flieht in die Wüste, schwanger, mittellos, unbeachtet.
Und dort erfährt sie Gottes Nähe.
Er sieht sie und spricht zu ihr.
Verspricht ihr eine Zukunft: dass der Sohn, den sie in sich trägt, sich behaupten wird.
Dass ihre Nachkommen so zahlreich werden, dass sie unzählbar sind.
Hagar staunt: Du bist ein Gott, der mich ansieht.
Und das Ansehen richtet sie auf, gibt ihr neuen Mut.
Sie kann zurückkehren, sich der unzumutbaren Situation stellen.
Denn Ansehen ist Lebensnahrung.
Angesehenwerden ist Grundnahrungsmittel für die Seele.
Wer übersehen wird,
an wem immmer vorbeigesehen wird,
der verdorrt, verhungert innerlich.

Montag, 18. November 2019

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! - Ein Slam-Predigt-Versuch



Am 16.11.2019 haben wir in Altrip den ersten "MidLife"-Gottesdienst gefeiert - ein Format für Themen mitten aus dem Leben, entwickelt durch ganz unterschiedliche Elemente wie Spielszenen, Texte, Medien, kommunikative Einheiten und Aktionen. Aus einer spontanen Laune heraus habe ich meinen Beitrag zum Thema "Freiheit" in eine Slam-Predigt-artige Form gefasst - mein erster Versuch dieser Art. Leider konnte ich wegen einer kurzfristigen Erkrankung im Gottesdienst nicht persönlich mitwirken. Aber zumindest eine Videobotschaft habe ich noch beisteuern können.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! (Gal 5, 2)
Ja, der Paulus weiß Bescheid
Glaubt er und sagt’s den Christen in Galatien
mit einem Brief, sonst wär’s zu weit.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit!
Schreibt er
und noch mehr
vom Joch der Knechtschaft
das einem keiner mehr auflegen soll
das Joch voll Regeln voll
Maßstäben und Normen
die dich zu formen
versuchen
mit denen du dich zu formen
versuchst
um gerecht zu sein
und gut
Ich tu doch dies
Ich tu doch jenes
Ich bin doch o.k.,
Gott? Oder nee?

Montag, 18. Februar 2019

Das Paradies – auf dem Weg und am Ende des Weges

Kurzpredigt im Abschlussgottesdienst zum Konfiseminar „Paradies“ auf dem Schwanberg
Februar 2019


Du läufst durch den Nebel
im Dunkeln, in der kühlen Nacht
Siehst nur schemenhafte Umrisse, von Bäumen, Sträuchern, Gebäuden
Musst aufpassen, wohin du deinen Fuß setzt

Ein bisschen unheimlich ist es
Ein bisschen aufregend
Irgendwie auch lustig; manches auch nervig

Du musst versuchen, dich auf den Weg zu konzentrieren
Schauen, wo es langgeht
Nur schwach leuchten die Wegmarken
Aber du findest deinen Weg
zusammen mit dem oder der anderen an deiner Seite

An das Paradies denkst du auf diesem Weg eher nicht
Was sollte dich auf diesen Gedanken bringen?
Bist doch damit beschäftigt, nicht zu stolpern, nicht auszurutschen
dich suchen umzuschauen: Wo geht es lang?

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Das Kräutlein des Johannesevangeliums gerieben: Von der Wahrheit, die frei macht

Predigt am Vorabend des Reformationstages (Dienstag, 30.10.2018) in der Protestantischen Kirche Altrip

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. (Johannes 8, 31-32)

2011 bis 2013 waren die Jahre der Plagiate. Oder besser: ihrer Erkennung und Überführung. Vor allem zahlreiche Politikerinnen und Politiker mussten ihren Doktortitel wieder abgeben, weil sie ihn sich erschummelt hatten – mit größtenteils abgeschriebenen Arbeiten.

Auch dass jemand erst gar keine Doktorarbeit schreibt, aber bei der Jobbewerbung angibt, einen zu haben, kommt vor. Und manchmal kommt es nicht nur vor, sondern auch raus, wie ich gerade von einem aktuellen Fall erzählt bekam.

2013 bis 2015 waren die Jahre der Abgasskandale. Manipulieren, vortäuschen, lügen und betrügen auch hier. Schummeln, um so zu tun, als würden die gebauten Autos die Grenzwerte nicht überschreiten, obwohl sie es in Wahrheit doch tun. Ist vorgekommen, ist rausgekommen.

Und dann das Phänomen, das 2016 zum Anglizismus des Jahres gewählt und 2017 in den Duden aufgenommen wurde: Fake News.

Donnerstag, 17. April 2014

Gründonnerstag: Abschied nehmen.

 „Und ich wollte noch Abschied nehmen“, heißt eine Zeile aus einem Song von Xavier Naidoo. „Und ich wollte noch Abschied nehmen, das werd ich mir nie vergeben. Mann, wie konntest du von uns gehen? Jetzt soll ich dich nie mehr sehen.“

„Nie mehr“: es geht um mehr als ein „Auf Wiedersehen“, „Bis bald“. Dieser Abschied ist ein Abschied für immer: der Abschied, den man nehmen muss, wenn ein geliebter Mensch stirbt.

Sonntag, 13. April 2014

David, Salomo, Jesus: Eselreiter Gottes


Womit jemand sich fortbewegt, sagt eine Menge. Sozusagen: Sag‘ mir, wie du dich fortbewegst, und ich sage dir, wer du bist. Ob jemand einen Oldtimer fährt oder den neuesten Sportwagen, ein Mountainbike oder Omas altes Damenrad, ob er hoch zu Ross sitzt oder lieber dahin spaziert. Womit ein Mensch sich fortbewegt, sagt eine Menge.

Palmsonntag in Jerusalem vor 2000 Jahren: Jesus reitet auf einem Esel in die Stadt. Warum?

Montag, 29. April 2013

Zorn, Trost und Lobgesang - Predigt am Sonntag Kantate, 28.04.2013

(gehalten in der Prot. Kirche Ingenheim aus Anlass der Visitation des Kirchenbezirks Bad Bergzabern)
1 Zu der Zeit wirst du sagen:
Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich
        und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest.
2 Siehe, Gott ist mein Heil,
        ich bin sicher und fürchte mich nicht;
denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm
        und ist mein Heil.

Dienstag, 5. Februar 2013

Ein-Bildung


Wir bilden uns Gott ein.
Hurra, jubeln jetzt alle Atheisten, endlich hat er's erkannt: Gott, das ist eine literarische Erfindung, eine Projektion unserer Wünsche und Hoffnungen, eine selbstgebastelte Krücke, die uns über Ängste und Unsicherheit unserer Existenz hinweghelfen soll. Eben: Wir bilden uns Gott ein.

Aber natürlich wäre das vorschnell. Natürlich lasse ich das nicht so stehen. Natürlich habe ich noch einen Hintergedanken. Und zwar frage ich: Wie wäre es denn gerade umgekehrt: Gott bildet sich uns ein.
Das heißt dann zunächst: Gott hat sich uns ausgedacht. Wir sind seine Erfindung. Er hat seine Geistkraft eingesetzt, um uns lebendig zu machen. An uns übt er seine Kreativität. Auf uns projiziert er seine Liebe. In uns investiert er sein Herzblut. Wir sind Gottes Lebenswerk.

Gott bildet sich uns ein. Er hat sich uns ein-gebildet.
Das heißt auch: Er hat uns sein Bild eingeprägt. Sind wir Gedanken Gottes, dann kommen wir direkt von ihm her. Entspringen wir seiner Imagination, dann haben wir unser Image von ihm. So steht es in der biblischen Schöpfungsgeschichte: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (Gen 1,27)

In diesem Sinn lasse ich mir gerne etwas einbilden.
Ohne eingebildet zu sein.
Wie wird mein Bild aussehen, wenn es fertig ist?
So wie Gott es sich gedacht hat? So wie ich es mir gedacht habe?
Oder bekommen wir beides sogar irgendwie zusammen?

Freitag, 5. Oktober 2012

Klug und maßvoll: der "Blasphemieparagraf"


„Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen ...!“ So tönt eines der biblischen Zehn Gebote.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Kleiner Fischerverein


Es gibt einen Witz, in dem der Papst nach seinem Tod an die Himmelspforte kommt und dort nicht erkannt wird.
"Aber ich bin doch der Papst!"
"Papst, Papst ... nie gehört, was soll das sein?", fragt Petrus.
"Aber ich bin doch dein Nachfolger!", protestiert der Papst.
"Hm, das sollte ich doch wohl wissen", meint Petrus süffisant.
"Ich bin das Oberhaupt der katholischen Kirche!", macht der Papst einen letzten Versuch.
"Kirche, hmm ... einen Moment, ich frag' mal nach."
Petrus bringt das Anliegen vor Jesus; aber der ist auf Anhieb genauso überfragt und greift deshalb zum Telefon. Kurz darauf bricht Jesus in schallendes Lachen aus. Dann sagt er: "Petrus, stell dir vor, der kleine Fischerverein, den wir damals gegründet haben ... den gibt's immer noch!"

Ja, in der Tat, wenn es auch nicht das richtige Wort ist: Den kleinen Verein gibt's immer noch – inzwischen mit unzähligen Ortsvereinen und Regionalverbänden, wenn man so will, mit unterschiedlichen Ausprägungen, auch Streitpunkten, mit schwieriger, ja, oft trauriger und beschämender gemeinsamer und getrennter Geschichte – und doch: in alledem miteinander verbunden durch die eine Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes.

„Wir danken Gott allezeit für euch alle … ihr seid ein Vorbild geworden für alle Gläubigen“ – das schreibt einst der Apostel Paulus an die von ihm erst kurz zuvor gegründete christliche Gemeinde in Thessaloniki. „Wir danken Gott allezeit für euch alle“ – für vielleicht fünfzig Leute, die inmitten einer pulsierenden, multireligiösen Hafenmetropole zum Gottesdienst zusammen kommen und Nächstenliebe üben.

Die christliche Gemeinde ist gegründet auf Hoffnung. Es gibt uns noch, uns, den kleinen Fischerverein, gegründet von Jesus und Petrus vor 2000 Jahren. Knapp fünfzig Millionen in Deutschland, über zwei Milliarden in aller Welt.

Und Gott Vater spricht zu Gott Sohn: „Natürlich gibt’s den noch. Du hast doch damals dem Heiligen Geist gesagt, dass er sich um sie kümmern soll. Und du weißt ja, der ist hartnäckig. Was der einmal angefangen hat, das gibt er so schnell nicht auf, egal, wie schwer sie es ihm machen.“

Und Petrus sagt an der Himmelspforte: “Ist gut, Papst. Komm rein.“

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Von Einheit sprechen


Ich bin Deutscher, und ich bin Christ. Nein: Ich bin Westdeutscher, und ich bin evangelischer Christ. Na? Haben Sie's gemerkt? Sprache schafft Wirklichkeit. Wenn ich etwas oder jemandem, in diesem Fall mir selbst, einen Namen gebe, es bezeichne – dann unterscheide ich es oder ihn von anderen Dingen oder Menschen.

Ich bin Deutscher: Betone ich das, dann grenze ich mich ab von allen Nichtdeutschen. Ich bin Christ: Ich grenze mich ab von allen Nichtchristen. Ich bin Westdeutscher – darin steckt: und nicht Ostdeutscher. Ich bin evangelischer Christ – darin steckt: und nicht katholischer.

Wir bezeichnen, wir unterscheiden, wir grenzen ab. Und wir schaffen damit Wirklichkeit: Dinge, Tiere, Menschen, die zusammengehören – und solche, die nicht dazugehören. In der Bibel gehört diese Aufgabe zu den ersten, die der Mensch von Gott übertragen bekommt: „Wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen“ [Gen 2,19].

Durch die Sprache erschaffen wir Unterschiede, und durch die Sprache erschaffen wir Gemeinsamkeiten. Die deutsche Wiedervereinigung war auch deshalb möglich geworden, weil aus dem gegen das DDR-Regime gerichteten Slogan „Wir sind DAS Volk!“ der Slogan „Wir sind EIN Volk!“ wurde.

Die Verfasser des Aufrufs „Ökumene jetzt!“ vor einigen Wochen haben es genauso versucht. „Ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“ ist der Aufruf überschrieben, der gleich zu Beginn argumentiert: Getaufte sind Geschwister, Volk Gottes, Leib Christi, EINE Kirche eben – alles Vokabeln, die das Gemeinsame betonen.

Ob ich denke, dass es genügt, von der Einheit zu sprechen, um die Einheit zu erreichen? Nein: Viele andere Faktoren spielen natürlich eine Rolle. Bei der deutschen Einheit waren auch wirtschaftliche und politische Motive treibende Kräfte. Und auch im ökumenischen Mit- und Neben- und Gegeneinander geht es um anderes als nur die richtige Bezeichnung.

Aber wir könnten öfter das Gemeinsame betonen. Und uns, ehe wir besprechen, bewusst machen, ob wir trennen und abgrenzen oder zusammenbinden. Wir können mitarbeiten an der Gemeinschaft - allein durch bewusstes Sprechen.

Sonntag, 30. September 2012

"Ich dachte, ich arbeitete vergeblich ..." - Predigt am 30.09.2012 (17. nach Trinitatis)

[gehalten in der Protestantischen Martin-Luther-Kirche, Schifferstadt]



Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merket auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will. Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist. Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, - darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet, und mein Gott ist meine Stärke -, er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.
Jesaja 49, 1-6

Liebe Gemeinde,
das sind Sätze, die unmöglich mit nur einem Mal Hören oder Lesen zu verstehen oder auch nur aufzunehmen sind. Große Worte klingen da irgendwie heraus, aber sie rauschen doch vorbei.

Ich will deshalb heute Morgen nicht eingehen auf die geschichtliche Situation vor 2500 Jahren, in der dieser Text entstanden ist. Ich will auch nicht die Frage diskutieren, wer oder was dieser „Gottesknecht“ ist, der im Jesajabuch an mehreren Stellen auftaucht, ob er eine einzelne königliche oder prophetische Gestalt ist oder ob er doch eher das Volk Israel als Ganzes darstellt, – oder ob er sogar als Prophezeiung auf Jesus Christus hin gedeutet werden darf.

Das alles soll heute Morgen nicht Thema sein.
Ich will stattdessen die innere Entwicklung nachzeichnen, die dieser Mensch, der hier spricht, durchmacht.
Und ich hoffe, dass daran deutlich wird: Obwohl das alles zunächst so abgehoben und fern und vergangen klingt, hat der Prophet hier eine Grunderfahrung niedergeschrieben, die jeder einmal macht, der von sich sagt: Ich glaube an Gott und gewinne daraus meinen Lebenssinn.
Was das für eine Erfahrung ist, verstehen wir am besten, wenn wir die Gedankenbewegung desjenigen, der da schreibt, so mitgehen, wie er sie formuliert hat.

Er beginnt seine Rede mit ungeheurem Selbstbewusstsein. Er wendet sich nicht an eine Einzelperson oder eine kleine Gemeinde. Er wendet sich gleich an die ganze Welt: „Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merket auf!“ Woher kommt dieses Selbstbewusstsein? Er sagt es gleich im nächsten Satz: „Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an, er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.“ Daher kommt sein Selbstbewusstsein, sein Selbstvertrauen: Weil er sich getragen weiß, weil er um seinen Ursprung, seine Wurzel weiß. Er ist verankert und gefestigt durch seine Vergangenheit, er weiß: Gott hat mich gekannt, bevor ich geboren war. Gott hat mit mir etwas vorgehabt, noch bevor ich aus dem Leib meiner Mutter hervorgekommen bin in diese Welt. Und: Er hat mich schon geliebt, bevor mich Menschen lieben konnten.

Das ist die Wurzel des Propheten. Das ist auch – glaube ich – die Wurzel, auf die wir alle hier zurückgehen und auf die wir uns berufen, woher auch wir unsere Sicherheit gewinnen, und was wir glauben: dass wir gewollt sind. Dass es kein Zufall ist, dass wir da sind, kein Schicksal, sondern ein Akt der Liebe. Und deshalb können wir mit beiden Beinen fest im Leben stehen – weil wir wissen: Wenn uns sonst auch keiner kannte, wenn sonst auch keiner wusste: Was wird aus ihm? – Gott hat es gewusst. Schon von Anfang an.

Dann redet der Prophet in diesen Waffenworten. Und was er da bildhaft mit diesen Begriffen umschreibt, mit dem scharfen Schwert und dem spitzen Pfeil, was er damit ausdrücken will, ist, welche Gaben und Fähigkeiten ihm Gott mitgegeben hat, welches Charisma. Charisma, das alte griechische Wort für "Gnadengeschenk, göttliche Gabe". Diese Gaben, die Gott diesem Propheten gegeben hat, beziehen sich auf seine Sprache, seine Persönlichkeit, sein Auftreten. "Meinen Mund hat Gott wie ein scharfes Schwert gemacht". Wir kennen heute noch den Ausdruck "eine spitze Zunge haben". Was dieser Prophet, der hier spricht, offensichtlich kann, ist mit Worten so genau den Finger in die Wunde legen, dass es anderen deutlich wird, was Sache ist, wo sie sich eingeigelt haben und sich gleichgültig eingerichtet haben mit einer Situation, die doch eigentlich unannehmbar ist. Und diese Gabe, so sagt er, verdankt er Gott.

Und nun spricht er von seinem ganz speziellen, eigenen Auftrag: Gott spricht zu ihm: "Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will." Es geht um das Amt des Propheten, aber eigentlich um das Amt eines jeden, der sich im Dienste Gottes sieht: Gott zu verherrlichen, allein Gott in der Höhe die Ehre zu bringen, durch alles, was er tut und sagt.
Und dann, nach alledem!
- Nachdem der Prophet so groß, fast großspurig sich an die ganze Welt gerichtet hat: „Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merket auf!“ ...
- Und nachdem er verdeutlicht hat, wie sehr er sich in Gott verwurzelt sieht, sich vom Mutterleibe an mit ihm verbunden und von ihm getragen weiß ...
- Und nachdem er hingewiesen hat auf die Gaben und Fähigkeiten, die Gott ihm verliehen hat und die ihn vor anderen auszeichnen ...
- Und nachdem er gesagt hat: Ich habe von Gott einen Auftrag bekommen. Ich bin derjenige, durch den er sich in der Welt verherrlichen will, durch den er zeigen will, wie groß und mächtig er ist ...

Nach alledem! kommt trotzdem ein Satz, bei dem ich mich auf einmal dem Propheten ganz nahe fühle. "Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, obwohl doch mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist."

Ich glaube, dieser Zweifel ist eine allgemein menschliche Grunderfahrung: Dieses Gefühl, sich bemüht zu haben, gearbeitet zu haben, sich engagiert zu haben, und sich dann zu fragen: Hat das eigentlich wirklich etwas bewirkt? Am Sinn und Nutzen dessen, was ich tue, zu zweifeln, und daran, ob es wirklich etwas beiträgt zur Bildung der nachfolgenden Generationen, zu einem besseren Miteinander in der Gemeinde, sei es nur zum guten Zusammenleben in der Familie.

Selbst dieser Prophet, der sich so verwurzelt sieht in Gott, der seine Herkunft, seinen Auftrag, seine Fähigkeiten so überzeugt von Gott her bestimmt sieht, ist nicht gefeit vor diesem Zweifel.

Allein diese Tatsache ist für mich schon ein Trost. Das gibt jedem und jeder unter uns absolut das Recht zu sagen: Ich darf auch mal dran zweifeln, ich darf auch mal resignieren, auch wenn es sich schrecklich anfühlt, denn es IST auch zum Resignieren, wenn man sieht, wie sich nichts ändert über all die Jahre, die ich mich engagiert habe, die sich christliche Gemeinden engagiert haben, die auch auf politischer, auf gesellschaftlicher Ebene sich Menschen engagiert haben und versucht haben, etwas zum Guten hin zu verändern, und dann kommt doch heraus: Der Egoismus scheint sich durchzusetzen, die Reichen werden immer reicher, eine immer kleinere Anzahl von Leuten besitzt einen immer größeren Teil des Vermögens, die Armen werden immer ärmer, eine neue Unterschicht soll es geben – was die Menschen, die in diesen Zusammenhängen arbeiten, in Beratungsstellen, in Initiativen, schon lange wussten.

Sicher könnten Sie alle auch Beispiele aus Ihrem eigenen Leben geben, wie es ist, Tage, Monate, Jahre an etwas zu geben, von dem man nicht weiß, ob und was es bewirkt. Wenn es ganz arg kommt, geht es einem wie dem Propheten: Er sagt: „Ich verzehrte meine Kraft“, er fühlt sich ausgezehrt und unnütz.

Doch wie sich der Prophet fühlt, macht noch einmal eine Wende, und das ist auch eine wichtige Wende für uns – zu wissen, wenn es mir so geht, wenn ich das Gefühl habe, nichts von dem, was ich tue und sage und handle, hat einen Sinn, bewirkt etwas zum Guten hin: Worauf kann ich mich dann noch verlassen, rück-be-SINN-en? Und es ist tatsächlich nur das Eine, das Wort Gottes: "Nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat".

Das ist das Entscheidende: Gott spricht zu uns, durch andere Menschen, durch die Bibel, durch Erfahrungen, die wir machen im Miteinander, durch die kleinen, guten Zeichen, die Erfahrungen von Solidarität, von Gemeinschaft, vom Teilen, die es ja doch gibt, und für die wir nur die Augen öffnen müssen, die uns oft nicht mehr auffallen vor dem, was uns in den Medien präsentiert wird, denen oft nur schlechte Nachrichten gute oder berichtenswerte Nachrichten sind, die darin oft untergehen – dafür die Augen öffnen und darin die Nähe Gottes erfahren, das Wort Gottes, das Gott für einen jeden von uns persönlich und speziell zu sagen hat.

Für den Propheten hier hat Gott den speziellen Auftrag, das große zerstreute Gottesvolk Israel wieder zurückzubringen und zu sammeln. Zu wissen aber, dass er einen Auftrag hat, das gibt ihm wieder das Bewusstsein zurück, „vor dem Herrn wert geachtet“ zu sein.

Dann geht der Auftrag noch weiter: Es geht nicht nur um dieses eine, ursprüngliche auserwählte Gottesvolk, sondern "ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde". Dieser Auftrag gilt der ganzen Welt, und deshalb hat der Prophet seine Rede auch an die ganze Welt, an die Völker in der Ferne gerichtet.

Das ist es, was Gott für die Welt will: Sein Heil soll sich in ihr durchsetzen, seine Freiheit, sein Friede, seine Gerechtigkeit für alle. Das ist Gottes Wille, der hier im Auftrag an den Propheten im Alten Testament deutlich wird – und der für uns Christinnen und Christen noch einmal ganz deutlich geworden ist durch Jesus Christus, der von sich gesagt hat: Ich bin das Licht der Welt.

Davon ausgehend haben wir das Amt und den Auftrag übernommen, ebenfalls Licht zu sein. Als Menschen, die wir an Christus als das Licht der Welt glauben, ist es unsere Aufgabe, dieses Licht in die Welt zu bringen. Und dieser Auftrag – wie der Auftrag Gottes an den Propheten – zeigt uns, dass wir wert geschätzt sind vor dem Herrn.

Für diese Aufgabe, Licht in der Welt zu sein, hat Gott wie diesem Propheten so auch uns jedem seine eigenen Gaben und Fähigkeiten gegeben, sei es ein guter Lehrer zu sein oder ein guter Erzähler, sei es selbst wichtige Erfahrungen gemacht zu haben, die man an andere weitergeben kann, sei es gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen zu können, sei es gut mit Alten und Kranken umgehen zu können, ihnen Trost spenden zu können, sei es handwerklich begabt zu sein, etwas schaffen und bauen zu können, sei es reden zu können, sei es organisieren und planen zu können, irgendetwas mit vorzubereiten, Ideen zu entwickeln. Das alles sind Gottes Gaben für uns in dieser Welt, die uns helfen, Licht zu sein und diese Welt hier und da an vielen kleinen Punkten immer heller zu machen – entgegen allem Dunklen und resignierend Wirkenden.

Wenn die Frage gestellt wird: „Wie sollen wir als Christen in der Welt handeln?“, dann wird gerne die Antwort gegeben: Orientiere dich an der Frage: „Was würde Jesus tun?“ Aber ich glaube, das überfordert uns – als ob jeder von uns ein kleiner Christus sein könnte. Ich habe vor einiger Zeit einen anderen Satz gehört, den ich hilfreicher finde: Wie würde ich mich verhalten, wenn Jesus mit am Tisch säße? Wenn er bei dieser Besprechung oder jener Sitzung mit dabei wäre? Stell dir vor, er ist mit im Zimmer, wenn du mit deinem Kind sprichst, wenn du mit deinen Eltern sprichst. Was würdest du tun und sagen in der Anwesenheit eines solchen Gastes? Sich daran zu orientieren ist Aufgabe genug.

Was uns Kraft gibt, ist immer wieder diese Rückbindung, diese Vergewisserung, dass wir die Sicherheit darin haben, dass wir von Gott herkommen, von Gott her gewollt sind, schon vor aller Zeit. Schon bevor uns die Welt gesehen hat, hat uns Gott gesehen. Und wenn uns die Welt einmal nicht mehr sehen wird, dann sieht uns Gott immer noch. Diese Gewissheit haben wir durch das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Mit ihm hat er UNS gezeigt, was er dem Propheten auf andere Weise gesagt hat: Du bist vor mir wert geachtet! Und wir können sagen: Mein Gott ist meine Stärke.
Amen.

Donnerstag, 13. September 2012

Freitag, 18. Mai 2012

Spielplatzrebellen

Da, wo ich wohne, fast direkt vor unserer Haustür, gibt es einen kleinen Kinderspielplatz. Einen sehr kleinen. Aber er ist der zentrale Treffpunkt für alle Kinder aus der Nachbarschaft, die Kleinsten wie auch die Älteren. Und das war und ist gar kein Problem: Die Älteren nehmen Rücksicht, räumen sofort die Schaukel, wenn Kleine auf den Spielplatz kommen, helfen ihnen sogar rauf und schubsen sie an.

Dann, eines Tages, war ein grünes Schild an der Umzäunung angebracht: „Kinderspielplatz“, darunter: „für Kinder unter sechs Jahren“.

Schon am nächsten Tag hatte jemand das „unter sechs Jahren“ weggekratzt, irgendwann stand nur noch „Inderspielplatz“ da, dann wurden sogar wieder Buchstaben hinzugefügt, seitdem ist es ein „Blindenspielplatz“. Kreativ, finde ich.

Jaaa, es ist Sachbeschädigung, und nein, so etwas tut man nicht. Aber ich musste doch schmunzeln angesichts dieser kleinen Spielplatzrebellion.

Denn: Ist es wirklich nötig, auch dort nach Schema F zu handeln und etwas ganz offiziell zu regeln,
  • wo ungeschriebene Regeln gelten 
  • wo sich gutes Miteinander ganz von selbst etabliert hat 
  • wo niemand die anderen in ihrer Freiheit einschränken muss, weil alle mit ihrer Freiheit umzugehen wissen?
„Seht zu, dass diese eure Freiheit für die Schwachen nicht zum Anstoß wird!“, schreibt der Apostel Paulus in ganz anderem Zusammenhang an seine Gemeinde in Korinth (1. Kor 8,9). Wo sich alle ganz von selbst an diese einfache Regel halten, da braucht es kein Schild, das den einen etwas erlaubt und es den anderen verbietet.

UPDATE .... das (vorläufige) Ende vom Lied: Die Rebellion schnöde niedergeschlagen. :-(
 ... abgesehen davon, dass der Fußballspieler auf dem Schild einmal durchgestrichen war :-)

Donnerstag, 17. Mai 2012

Geschichten vom Himmel

Jesus kannte viele Geschichten vom Himmel – und er hat sie oft erzählt. Er sagte den Leuten: Das Himmelreich ist nicht weit weg und fern in der Zukunft, sondern hier und heute ist es ganz nah bei uns. Um klar zu machen, was das bedeutet, hat er von dem kleinen Senfkorn erzählt, das zu einem riesigen Baum heranwächst – genauso soll es auch mit dem Himmelreich sein: zuerst ist es ganz klein und unscheinbar, aber wenn es erst einmal gepflanzt ist, dann wird es auch aufgehen und immer größer werden. (Mk 4,30-32)

Ein anderes Beispiel war der Sauerteig. Eine kleine Menge davon reicht, um einen halben Zentner Mehl zu durchsäuern (Lk 13,20f.). Genauso macht sich auch der Himmel unter uns schon in ganz kleinen Mengen überall bemerkbar. Wir müssen nur die Augen dafür offen halten.

Vielleicht würde Jesus uns heute sagen: Macht doch mal ein Experiment. Nehmt ein großes Glas, füllt es mit Wasser und lasst einen Tropfen Tinte hineinfallen.

Er verteilt sich langsam überall – wie sich Freude ausbreiten kann, Friede und Liebe. Mit dem Himmel ist es wie mit dem Tropfen Tinte in viel, viel Wasser. Wir können ihn irgendwann gar nicht mehr sehen, aber er ist da – überall ein bisschen!

Wie gut, dass es den Himmel über uns gibt, den wir sehen können.
Wie gut, dass es auch den anderen Himmel gibt, den wir fühlen können.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Quak und Amen.

Er passt locker auf einen halben Daumennagel. Nicht einmal 8 Millimeter lang ist er: ein vor kurzem neu entdeckter Frosch aus Papua-Neuguinea.

Ob ein so kleiner Frosch überhaupt quaken kann? Und wenn: Könnte ich es hören?
Es kann ja nicht einmal ein Prinz aus ihm werden, denn er ist sogar zu klein zum Küssen.
Wenigstens braucht er keine Angst zu haben, dass jemand seine Froschschenkel verspeisen will.

Ein winziges Lebewesen, so klein und unscheinbar, dass bis vor kurzem niemand wusste, dass es überhaupt existiert. Immer übersehen, nie beachtet, hat der kleine Frosch einfach so vor sich hingelebt.

Und nun ist er plötzlich einzigartig: Denn er ist – zumindest derzeit – das weltweit kleinste Wirbeltier. Und auf einmal bekommt er Zeitungsschlagzeilen, wird in Überlebensgröße abgebildet: ein Ergebnis der Evolution, ein Wunder der Schöpfung.

„Der Herr des Alls hat die Kleinen und die Großen geschaffen und sorgt für alle gleich“, heißt es im biblischen Buch der Weisheit (Wsh 6,8). Und ein Psalmbeter ist überzeugt: „Er segnet … die Kleinen und die Großen“ (Ps 115,13).

Wenn ich mir den kleinen Frosch auf dem Foto in vielfacher Vergrößerung betrachte, den winzigen neuen Rekordhalter, wird mir klar: Ob ich mich klein oder groß fühle, das hängt immer von der Perspektive ab. Dass Gottes Segen mich in allen Perspektiven begleiten soll, das hängt nur von Gott selbst ab.

Und darauf kann ich mich verlassen. Quak. Nein: Amen.

Sonntag, 11. März 2012

Zweierlei Erdbeben

Heute vor einem Jahr bebte vor der Ostküste Japans die Erde,  unter dem Meer, stärker als jemals zuvor. Die Folgen sind bekannt: Mehrere Atomkraftwerke geraten außer Kontrolle. Zehntausende Menschen müssen daraufhin ihre Häuser verlassen. Vor allem aber überschwemmt eine gewaltige Flutwelle die Region. Fast 20 000 Menschen sterben im Tsunami, Hunderttausende werden obdachlos.

Ich finde es wichtig, sich heute, wenigstens heute, daran zu erinnern. Denn meistens geraten doch die menschlichen Tragödien hinter der Katastrophe in Vergessenheit, sobald die Schlagzeilen verebben. Anderes tritt in den Vordergrund, schließlich ist diese Region nicht die einzige, wo etwas geschieht, sei es Gutes oder Schlimmes. Aber immer noch haben Hunderttausende mit den Folgen des Bebens in Japan zu kämpfen.

Mit dieser Erinnerung blicke ich voraus auf das Ende der Passionszeit, auf Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu. Im Matthäus-Evangelium steht ein Hinweis, der vor lauter Osterfreude gerne überlesen wird. Als die Frauen kommen, um nach dem Grab Jesu zu sehen, heißt es doch tatsächlich: „Es geschah ein großes Erdbeben.“ Wie nebenbei steht dieser Satz da, als habe dieses Beben gar keine verhängnisvollen Folgen gehabt.

Ein Beben kommt über die Menschen angesichts der Auferstehung Jesu. Es kommt aber nicht als Verhängnis. Vielmehr ist es ein „Gegenbeben“, ein „Umkehrbeben“. Es steht für das größte Hoffnungsereignis der Menschheitsgeschichte. Es kehrt Leid und Schmerz um, es verwandelt den Tod ins Leben. Es hebt die Welt aus den Angeln. Kein Stein in unserem bisherigen Gedankengebäude bleibt auf dem anderen. Es bringt unsere ehernen Gesetzlichkeiten – „tot ist tot“ -  durcheinander, es wirft uns um.

Ja, es ist deshalb auch zum Fürchten, dieses Beben. Doch zugleich ist es zum Freuen: Wird doch gerade das erfüllt, wonach wir uns als endliche Wesen am meisten sehnen; ist doch gerade das überwunden, was uns am meisten zu schaffen macht: Der Tod behält nicht das letzte Wort.

Gott ist ein Gott des Lebens. Darum können  alle, aber gerade und vor allem die Leidenden und Sterbenden, die Opfer und Unterdrückten, mitten in der Verzweiflung hoffen, in allem Ende die Kraft schöpfen für den Neuanfang.