In diesen Tagen bringen ehrenamtliche Austrägerinnen und Austräger die Frühjahrsusgabe des Gemeindebriefs "Kirchenfenster" zu unseren Gemeindegliedern nach Hause. Hier dokumentiere ich mein Editorial (wie auch schon auf der Homepage der Altriper Kirchengemeinde).
Vieles ist passiert seit der Herbst/Winter-Ausgabe unseres Kirchenfensters. Vieles, wovon die meisten von uns nicht im Traum gedacht hätten, dass es überhaupt jemals wieder passieren könnte. Fast erscheint die Coronapandemie im Rückblick nun wie eine Vorübung in Krisenmanagement, als ein Sich-Einstimmen auf noch Größeres - den weltpolitischen Konflikt und die inneren und gesellschaftlichen Konflikte, die er mit sich bringt.Ich schreibe diese Zeilen am Sonntag Reminiszere, dem 13. März 2022, und weiß nicht, was in der Zwischenzeit in der Ukraine und hier bei uns geschehen sein wird, bis Sie diese Ausgabe in Händen halten. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes heute, noch am Anfang der Passionszeit, stand die Szene im Garten Getsemane: Jesus, wie er sich, von Todesangst übermannt, dreimal zurückzieht, um zu beten. Dreimal tritt er in das gedankliche Ringen mit sich und seinem erwarteten Geschick ein, dreimal fleht er zu Gott: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Und dreimal muss er es laut betend aussprechen, um es für sich annehmen zu können: „Wenn es aber nicht möglich ist, soll geschehen, was du willst!“
Es ist schwer, in diesen Tagen der Militarisierung unserer Gedanken zu widerstehen, und noch schwerer, das so zu tun, dass es nicht zynisch klingt gegenüber den Menschen in der Ukraine, die ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen. Und zugleich ist es nötig, manchen allzu schnell wiederaufgekommenen Selbstverständlichkeiten zu widerstehen. Ja, es stimmt: Wir wünschen uns, den Angegriffenen mit allen Mitteln zur Seite zu stehen. Und zugleich halte ich es für wichtig, behutsam zu sein, die Option für den Frieden niemals gänzlich über Bord zu werfen, und uns von der Angst nicht das Denken und Handeln diktieren zu lassen.
„Angst ist ein schlechter Ratgeber“, sagte einmal der frühere
Bundespräsident Joachim Gauck. Was tut Jesus? Er bringt seine Angst vor
Gott, bringt sie ihm dar, ergibt sich schließlich vertrauensvoll seinem
Willen. Und so kommt es, dass für ihn die Angst nicht handlungsleitend
wird - wie es gegenwärtig der Fall zu sein scheint. Warum sonst findet
die Investition vieler Milliarden Euro in Rüstung auf einmal so schnell
so breite Zustimmung? I
n das Lehren und Einüben ziviler, gewaltfreier
Konzepte der Landesverteidigung wird dagegen nicht investiert. Ist auf
diese hinzuweisen weltfremde Träumerei und nur mitleidig zu belächeln?
Was der Angst und dem Gefühl der Ohnmacht auch entgegenwirkt: das zu
tun, was jeder und jede tun kann, um zu helfen. Wie zum Beispiel: An
Demonstrationen teilnehmen, um allen, die für den Frieden eintreten,
Solidarität zu signalisieren. Für Menschen auf der Flucht spenden. Wenn
wir es einrichten können: Wohnraum und andere Unterstützung anbieten.
Ja, selbst unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren,
auf Erneuerbare umsteigen, Energie sparen, nützt jetzt nicht mehr nur
dem Klima, sondern stellt Russland weniger Geld für den Krieg zur
Verfügung. Und schließlich, was Jesus von seinen Jüngern forderte:
Wachen und beten. Mögen wir darin nicht so schnell müde werden.
Ihr Pfarrer
Alexander Ebel
P.S.: Nach Drucklegung fand ein Gespräch zwischen Vertretern der
katholischen und protestantischen Altriper Gemeinden sowie der
Verbandsgemeinde Rheinauen statt. Presbyterium und katholischer
Gemeindeausschuss waren übereingekommen, der VG unsere Hilfe und
Unterstützung im Blick auf die Schutzsuchenden aus der Ukraine
anzubieten, die in diesen Tagen zu uns kommen oder schon hier sind. Ein
erster Schritt wird voraussichtlich die Wiedereinrichtung eines
regelmäßigen Café-Nachmittags/Abends im Dietrich-Bonhoeffer-Haus sein,
als Treffpunkt und Gelegenheit, Helferinnen und Helfer für bestimmte
Anliegen zu finden, sowie als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten.
Mehr dazu in den kommenden Tagen.
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