Mein Großvater war ein kräftiger Mann. Einer, der anpacken konnte. Einer, der die Dinge am liebsten selbst erledigte, mit seiner eigenen Hände Arbeit. Einer, der ungern von anderen abhängig war.
Umso verständlicher erscheint mir heute, dass die eine Begebenheit in seinem Leben, von der er mehrfach erzählte, ein Moment der Schwäche war.
Es war kurz nach Kriegsende, er war zwanzig Jahre alt und auf dem Weg in die russische Gefangenschaft. Dass er es überhaupt bis zum Ziel schaffte, verdankte er einem Kameraden, der ihn stützte und mitschleppte, als ihm selbst die Kräfte versagten. Dieser Kamerad rettete meinem Großvater das Leben, denn, so erzählte er, wer nicht selbst laufen konnte, am Wegesrand liegen blieb, der wurde erschossen.
Letztlich verdanke damit auch ich mein Leben diesem für mich namenlos gebliebenen Kameraden.
Mein Großvater hat den Krieg und die Gefangenschaft überlebt. Doch obwohl er ansonsten nicht viel darüber gesprochen hat, konnte man ihm die Spuren anmerken, die diese Erfahrungen hinterlassen haben:
in seiner Ernsthaftigkeit,
in seinen Schwierigkeiten mit Gott und Glaube,
und selbst im liebevollen Umgang mit seinen Enkeln, woraus er möglicherweise schließlich Trost und Hoffnung zog.
Heute, am Volkstrauertag, gedenke ich nicht nur der vielen Toten, die aus Kriegen hervorgingen – sondern auch dessen, was Kriege in den Überlebenden angerichtet haben und immer noch anrichten.
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