Sonntag, 5. Oktober 2014

Alles ganz selbstverständlich.

Predigt am 5. Oktober 2014 (Erntedankfest) in der Protestantischen Kirche in Altrip

So lasst uns nun durch Jesus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott. (Hebräer 13, 15-16)

Liebe Gemeinde,
Erntedank ist das Fest der Selbstverständlichkeiten.
Denn es dreht sich um alles, was für uns täglich ganz selbstverständlich ist.

Dass ich Brot habe
ist selbstverständlich
Dass ich Marmelade habe
ist selbstverständlich
Milch, Saft, Käse, Wurst
ganz selbstverständlich

Dass die Regale im Supermarkt voll sind
versteht sich von selbst
Dass genug da ist, um diesen Altar zu schmücken
Äpfel, Nüsse, Weintrauben, buntes Herbstlaub
Dass jemand da ist, der es tut
ist selbstverständlich

Dass ich herzlich willkommen geheißen werde
ist selbstverständlich
Dass ich auf meine Fragen eine Antwort bekomme
Dass mir jemand hilft, wenn ich Probleme habe
Selbstverständlich
Ist es das?

Wir haben nur einen kleinen Reihenhausgarten
so handtuchgroß
Aber immerhin
Nur ein kleiner Garten
Wenig Platz
Ein paar Kräuter
Ein paar Tomaten
Ein paar Erdbeeren
Die meisten aber auf dem Balkon
Einmal haben wir davon noch im November geerntet
Und gestaunt
Das war nicht so selbstverständlich.

Wenig Platz im Garten.
Da lesen wir im vergangenen Frühjahr den Tipp von den
Kartoffeln im Sack
Zuerst Saatkartoffeln im Pappkarton drei Wochen keimen lassen.
Dann Erde 20 Zentimeter hoch in einen wetterfesten Sack füllen;
drei Knollen rein und Erde drauf.
Immer wieder mit Erde auffüllen -
und nach vier Monaten über viele Kartoffeln freuen.
Wir probieren es aus
Es funktioniert
Aus einer Kartoffel werden zehn.
Die Kinder haben ihre Freude sie herauszuwühlen.
Wundersame Kartoffelvermehrung.
Selbstverständlich?

So lasst uns nun durch Jesus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. 

Ja, Erntedank ist das Fest der Selbstverständlichkeiten.
Denn alles, worum es da geht, versteht sich doch von selbst.
Für einen Christen.
Gott loben und ihm danken
für seine Gaben
dafür, dass ich zu essen und zu trinken habe
dafür, dass etwas aus dem wird, was ich anbaue
Gott dafür zu loben und zu danken
ist doch selbstverständlich
Oder?

Die Priester türmen die Erntegaben auf den Altar
Dann zünden sie alles an
Lichterloh brennt es
und fackelt ab
Der Rauch steigt hoch
Der Duft
Gott in die Nase
um ihn zu betören
und gnädig zu stimmen
So glaubt man.
Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; 
denn solche Opfer gefallen Gott.
Gott braucht keine Speisopfer mehr.
Das ist doch selbstverständlich.

Der Bock wird zum Altar gezerrt
Der wehrt sich
schreit und bockt
Der Bock
Es hilft ihm nichts
Das Messer dringt ein
schneidet ihn auf
Sein Blut läuft in Strömen
Der Altar wird damit besprengt
das Fett darauf verbrannt
Das Fleisch bekommen die Priester.
Einen großen Teil jedenfalls.
Alles um Gott einen Gefallen zu tun
Ihn wohlgefällig zu machen
So geht das
So glaubt man
Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; 
denn solche Opfer gefallen Gott.
Gott braucht keine Tieropfer mehr.
Das ist doch selbstverständlich.

Ein Mensch wird gezwungen
eine Rolle zu spielen
einen vorbereiteten Text aufzusagen
bevor er hingerichtet wird
hingerichtet durch die Terrormiliz, die sich Islamischer Staat nennt
Schon viele Menschen hat sie zu Opfern gemacht.
Im Namen Gottes?
Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; 
denn solche Opfer gefallen Gott.
Gott braucht keine Menschenopfer
will nicht, dass irgendwer Opfer wird
Das versteht sich von selbst.
Sollte man meinen.

So lasst uns nun durch Jesus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen

Gott will kein Opfer
nur das Lobopfer:
die Zeit, die es braucht
die Geistesgegenwärtigkeit, die es braucht
den Mut, den es braucht
das Vertrauen, das es braucht
um seinen Namen zu bekennen
um zu sagen:
Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde
Ich glaube, dass er mich geschaffen hat samt allen Kreaturen

Und: Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.

Vergesst nicht!
schreibt da einer,
ein Christ.
Vergesst nicht!

Vergesst nicht
Gutes zu tun
Vergesst nicht
mit anderen zu teilen
Vergesst nicht
schreibt er
und sagt damit
durch die Blume
So selbstverständlich ist das nicht.

Erntedank
Das Fest der Selbstverständlichkeiten
Und zwar so, dass alle Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden
bevor Gott sie wieder selbstverständlich macht

Einmal wird uns gewiß
die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft, die wir
geatmet haben, und den
Blick auf die Sterne
und für all die Tage,
die Abende und die Nächte.

Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen und
bezahlen;
bitte die Rechnung.

Doch wir haben sie
ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen,
sagt der und lacht,
soweit die Erde reicht:
Es war mir ein Vergnügen!
(Lothar Zenetti)

Das ist tatsächlich selbstverständlich.
Für Gott.
Und für uns?
Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht.
Versteht sich doch von selbst.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen