Donnerstag, 14. April 2022

Wenn unsere Osterkerze erzählen könnte ...

Anstelle einer Predigt im Gottesdienst mit Tischabendmahl und Ölbergstunde am Gründonnerstag, 14. April 2022

Sie hat ganz schön was mitgemacht,
die Osterkerze in unserer protestantischen Kirche in Altrip.
Zwei Jahre hat sie uns begleitet oder auch Wache gehalten in der Kirche zu Zeiten, als dort nichts oder nur wenig stattfinden konnte.
Um die Hälfte ist sie geschrumpft, richtig klein geworden, als habe sie die Last der beiden Jahre gebeugt.
Ich bin das Alpha und das Omega, das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte, spricht Gott (Offb 22,13) – und das ist auf der Osterkerze symbolisiert durch eben diese griechischen Buchstaben. Auf dem linken Bild ist das Alpha noch zu sehen. Auf dem Bild rechts ist es schon ganz weggeschmolzen, die Flamme nähert sich dem obersten Wundnagel; dazwischen ist eine Jahreszahl – 2021 – dazugekommen … und unten wartet das Omega, das Ende.
Wenn unsere Osterkerze erzählen könnte – wie klänge das? Vielleicht so:

Montag, 21. März 2022

Der Brüchigkeit der Zeit etwas entgegenhalten

Am Sonntag, dem 20. März 2022, haben wir in der Prot. Kirche Altrip unseren vom 6. März verschobenen "MITTENDRIN"-Gottesdienst gefeiert. Im Mittelpunkt stand der 31. Psalm und besonders der 16. Vers "Meine Zeit steht in deinen Händen" (Luther) bzw. "In deiner Hand ruht meine Zeit" (BigS). Thematisch angeregt war der Gottesdienst durch ein Materialheft des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Wir haben im Team im Zuge der Aneignung des Materials natürlich auch auf die Situation in der Ukraine Bezug genommen. Hier dokumentiere ich meine Kurzpredigt.

Meine Zeit steht in deinen Händen
haben wir zu Beginn gesungen
Eine Zeile, entnommen einem größeren Zusammenhang
Zwei Pole: ein Sprecher - ein Gegenüber:
Meine Zeit - in deinen Händen
Entnommen, wir haben es schon gehört, dem 31. Psalm.
Einem Gebet also, oder einem Gebetslied, gerichtet an Gott.

Was heißt das dann: steht in deinen Händen?
Wenn das zu Gott gesagt wird?
Gegenwärtig erleben wir auf erschreckende Weise Anderes:
Wie Menschenzeit in Menschenhänden liegt
In den Händen der Mächtigen, die kommandieren,
zu kämpfen befehlen, auf Leben und Tod.
Wie sehr sprechen da auch andere Zeilen des Psalms in unsere Zeit hinein:

Dem Gefühl der Angst und Ohnmacht entgegenwirken

In diesen Tagen bringen ehrenamtliche Austrägerinnen und Austräger die Frühjahrsusgabe des Gemeindebriefs "Kirchenfenster" zu unseren Gemeindegliedern nach Hause. Hier dokumentiere ich mein Editorial (wie auch schon auf der Homepage der Altriper Kirchengemeinde).

Vieles ist passiert seit der Herbst/Winter-Ausgabe unseres Kirchenfensters. Vieles, wovon die meisten von uns nicht im Traum gedacht hätten, dass es überhaupt jemals wieder passieren könnte. Fast erscheint die Coronapandemie im Rückblick nun wie eine Vorübung in Krisenmanagement, als ein Sich-Einstimmen auf noch Größeres - den weltpolitischen Konflikt und die inneren und gesellschaftlichen Konflikte, die er mit sich bringt.

Ich schreibe diese Zeilen am Sonntag Reminiszere, dem 13. März 2022, und weiß nicht, was in der Zwischenzeit in der Ukraine und hier bei uns geschehen sein wird, bis Sie diese Ausgabe in Händen halten. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes heute, noch am Anfang der Passionszeit, stand die Szene im Garten Getsemane: Jesus, wie      er sich, von Todesangst übermannt, dreimal zurückzieht, um zu beten. Dreimal tritt er in das gedankliche Ringen mit sich und seinem erwarteten Geschick ein, dreimal fleht er zu Gott: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Und dreimal muss er es laut betend aussprechen, um es für sich annehmen zu können: „Wenn es aber nicht möglich ist, soll geschehen, was du willst!“

Dienstag, 1. März 2022

Gedanken in Kriegszeiten - Von Waffenlieferungen und Politik mit der Bergpredigt

Ein paar Gedanken. Ins Unreine. Zeugnis eines Ringens mit mir selbst, mit der Welt, mit dem Glauben. Eigentlich nur für mich selbst geschrieben, getippt in mein Journal. Aber heute teile ich sie mit euch. Seid gnädig.


So viele Gedanken in diesen Tagen. So schwer in Worte zu fassen. Bruchstücke. In die eine Richtung, dann in die Gegenrichtung. Was ist richtig, was ist falsch? Nachdenken über Dinge wie: Landesverteidigung … sofortige Kapitulation … gewaltloser Widerstand … Frieden schaffen ohne Waffen … Realismus … Ach.

Deutschland liefert Waffen an eine Kriegspartei. Zur Selbstverteidigung. Es wird am Ausgang des Krieges in der Ukraine nichts ändern. Russland wird siegen. Die Unterstützung der Angegriffenen wird den Krieg "bestenfalls" - schlimmstenfalls - in die Länge ziehen. Mehr Tote. Schnellere Kapitulation verringert Kriegsopfer, ist es nicht so? Ist die Waffenlieferung nicht auch (nur?) ein politisches Deckmäntelchen? Um sich moralisch gegenüber den anderen Ländern nicht unterlegen zu fühlen? Kriegsmoralisch. Nicht allein dazustehen, nicht die einzigen zu sein, die keine "Hilfe" leisten.

Sonntag, 27. Februar 2022

Schuldbekenntnis angesichts des Kriegs in der Ukraine

Gott, wir sind schuldig vor dir geworden.
Schuldig als solche, die für deine ganze Menschheit stehen.
Und schuldig ganz individuell.
 
Gott, wir handeln nicht nach deinen Geboten.
Wir missachten deinen Willen.
Denn „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“.
Und doch führen wir Menschen Krieg.
Und das zieht so viel andere Schuld nach sich.
 
Schuldig sind wir,
uns Horrorszenarien auszumalen, die alles noch schlimmer machen, als es eh schon ist, von Weltkrieg und Atomkrieg.
Schuldig, uns von Schlagzeilen mit diesen Begriffen besonders ansprechen zu lassen und sie fast begierig anzuklicken, die Zeilen zu lesen.
 
Schuldig sind wir, uns hier um uns selbst zu sorgen,
welche Belastungen auf uns zukommen mögen
an höheren Energiepreisen
und wie unser gutes Leben davon wohl eingeschränkt sein wird.
 
Schuldig sind wir, Zahlen und Statistiken und Karten und Truppenbewegungen zu verfolgen und zu vergleichen, als wäre es ein großes Stratego-Spiel.
 
Schuldig sind wir,
der Faszination des Schrecklichen zu unterliegen.
 
Schuldig auch der Heldenverehrung - mit klopfendem Herzen die Videobotschaften des ukrainischen Präsidenten zu verfolgen oder die Meldungen von hartnäckigem Widerstand unter Einsatz des eigenen Lebens.
 
Schuldig sind wir, mit dem Gedanken zu spielen, ob ein Tyrannenmord schon gerechtfertigt wäre und helfen könnte.
 
Schuldig sind wir, Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet zu unterstützen und so noch mehr Öl ins Feuer zu gießen – und schuldig wären wir gewesen, es nicht zu tun und so den Angegriffenen nicht Hilfe zur Verteidigung zu leisten. Das Teuflische des Krieges: Niemand bleibt ohne Schuld.
 
So groß ist unsere Schuld.
Dir bekennen wir sie.
Erbarme dich unser.
Gib uns ein neues Herz und einen neuen Geist,
damit wir suchen, was dem Frieden dient.
Amen.

Montag, 14. September 2020

Neben Zachäus auf dem Ast - Bis nach Moria schauen

 Predigt im Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2020, in der Prot. Kirche Altrip

Predigttext: Lk 19, 1-10

Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Predigt[1]

Liebe Gemeinde!

Das ist jetzt schon ein bisschen paradox:

Ich klettere auf die Kanzel, um besser gesehen und gehört zu werden, wenn ich rede – rede von einem, der auf einen Baum geklettert ist, um besser sehen und hören zu können: denjenigen, der da in die Stadt kommt, von dem alle reden, und der zu den Menschen redet wie sonst noch keiner.

Aber so sind wir es gewöhnt:

Wer etwas zu sagen hat, der steigt hinauf – auf eine Kanzel, eine Bühne; der tritt nach vorne – an ein Redepult; der sitzt vorne, am Kopfende.

Bei Jesus ist das oft anders. Gut, zur Bergpredigt ist er auch ein bisschen höher hinaufgestiegen, um zu den vielen sprechen zu können. Und ein anderes Mal heißt es, er sei in ein Boot gestiegen und ein kleines Stück hinausgefahren, um von dort zu den Menschen am Ufer zu sprechen.

Aber meistens, so kommt es mir vor, ist er doch mitten unter den Menschen, umringt von ihnen, sobald er irgendwo hinkommt. Denkt an die Geschichte mit dem Gelähmten, den seine Freunde durchs Dach herablassen zu Jesus, weil das Häuschen so voller Leute ist, dass sie nicht mehr durch die Tür kamen.

Und hier kommt Jesus nach Jericho, und gleich umgibt ihn eine Menge, so dass jemand von kleinerer Gestalt wie Zachäus keine Chance hat, auch nur einen Blick auf ihn zu erhaschen.

Sonntag, 26. April 2020

Struktur durch Rituale in Krisenzeiten

Gedanken aus einer meiner Telefonandachten in den vergangenen Tagen:


Der Kaffee am Morgen und die Tageszeitung dazu, vielleicht etwas Frühsport, der Spaziergang am Nachmittag, die Zeit für das gute Buch oder das Hobby, der Fernsehabend , der Stammtisch oder der Vereinsabend einmal in der Woche, das Telefonat oder Treffen mit der besten Freundin, der Ausflug am Wochenende oder der Familienbesuch – das sind Rituale: Alltagsrituale. Sie helfen, mich auf mich selbst zu besinnen, meine Gesundheit, mein Wissen und Können, meine Entspannung, meinen Freundeskreis, meine Familie.

Das Läuten der Kirchenglocken zu bestimmten Tageszeiten, das Tisch- oder Abendgebet, der Gottesdienstbesuch, die Abendmahlsfeier, Taufen, Trauungen, Trauerfeiern – auch das sind Rituale: Glaubensrituale. Im Unterschied zu den Alltagsritualen verweisen sie nicht nur auf mich selbst und diejenigen, die mir nahe stehen, sondern auf etwas Höheres, womit ein tieferer Sinn unseres Daseins verbunden ist. Sie helfen, mich auf Gott zu besinnen, darauf, dass mein Leben sich nicht mir selbst verdankt, dass es ein Geschenk ist, dass ich gewollt und angenommen bin, dass ich mich nicht selbst erlösen kann, und dass ich hoffen darf über dieses Leben hinaus.

Gemeinsam ist beiden Ritualformen: Sie helfen, Struktur zu geben: den Tagen und Wochen, dem Jahr, dem ganzen Leben. Für viele dieser Rituale sind die Zeiten und Orte von außen vorgegeben, so dass wir uns danach richten können. Andere haben wir über Jahre hin eingeübt, sie sind zur Gewohnheit geworden.

Nun ist wegen der Kontaktsperre und den sonstigen Beschränkungen des öffentlichen Lebens vieles davon weggebrochen. Die Tage drohen strukturlos zu werden, ein Einheitsbrei, ohne Rhythmisierung, ihre Ecken und Enden fransen sozusagen aus. Das ist vor allem für alleinstehende Menschen schwierig, auch für Menschen, die keine Arbeit haben oder ihr derzeit nicht nachkommen können oder dürfen.

In vielen Familien äußert es sich anders: Die Kombination, zu Hause für den Schulunterricht der Kinder sorgen und zugleich den eigenen beruflichen Verpflichtungen im Homeoffice nachkommen zu müssen, überdeckt alles so weit, dass auch dabei gewohnte Rituale auf der Strecke bleiben.

In der gegenwärtigen Situation mag es deshalb hilfreich, wenn nicht gar notwendig sein, sich über seine eigenen ritualisierten Abläufe Gedanken zu machen und sie bewusst zu gestalten: die Alltags- und die Glaubensrituale: Wo und wie sollen sie jetzt Platz haben in meinem Leben? Und sich dann diese Ritualtermine mit sich selbst in den Kalender eintragen – und sich wirklich jeden Tag daran erinnern lassen, vielleicht den Wecker dafür stellen. Das sind kleine Tricks, die helfen können.

Der Apostel Paulus schreibt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Korinther 5, 17) – Dass wir diese Tage als Chance zur Erneuerung erfahren, im persönlichen Leben wie auch gesellschaftlich, das wünsche ich uns allen.

Donnerstag, 26. März 2020

Telefonandacht: Der ferne Nächste

Meine erste Telefonandacht ist ... "on line".

Bitte verbreitet die Nummer 0 62 36 / 48 929 78 vor allem unter Menschen, die keinen Computer haben oder keinen Internetzugang benutzen können.

Ich weiß noch nicht, wie regelmäßig ich es schaffe, eine neue Telefonandacht zu erstellen. Mindestens 2x die Woche (Mi + So) plane ich vorläufig.

Rückmeldungen sehr willkommen!
Pfarrer Alexander Ebel

Hier im Blog ist die Andacht nun auch - und natürlich in besserer Audioqualität zu hören: "Der ferne Nächste"

Montag, 9. März 2020

Ich seh dich - Du und ich ein Selfie Gottes

Kurzpredigt im MITTENDRIN-Gottesdienst am 8.3.2020 in der Prot. Kirche Altrip

Ich seh' dich.
Wer sagt das zu wem?
Ein Mensch zum anderen Menschen.
Ein Mensch zu Gott.
Gott zum Menschen.
Ich seh dich.

Du siehst mich.
Das war vor drei Jahren die Losung für den Ökumenischen Kirchentag.
Und auch das hatte zumindest diese Zweiseitigkeit.
Du, Mensch, siehst mich.
Du, Gott, siehst mich.

Du bist ein Gott, der mich sieht, ansieht.
Hagar sagt diesen Satz, eine Frau im Alten Testament.
Sie ist die Magd von Abram und seiner Frau Sarai.
Und Sarai würdigt sie herab.
Demütigt sie.
Sie hat kein Ansehen.
Und sie flieht in die Wüste, schwanger, mittellos, unbeachtet.
Und dort erfährt sie Gottes Nähe.
Er sieht sie und spricht zu ihr.
Verspricht ihr eine Zukunft: dass der Sohn, den sie in sich trägt, sich behaupten wird.
Dass ihre Nachkommen so zahlreich werden, dass sie unzählbar sind.
Hagar staunt: Du bist ein Gott, der mich ansieht.
Und das Ansehen richtet sie auf, gibt ihr neuen Mut.
Sie kann zurückkehren, sich der unzumutbaren Situation stellen.
Denn Ansehen ist Lebensnahrung.
Angesehenwerden ist Grundnahrungsmittel für die Seele.
Wer übersehen wird,
an wem immmer vorbeigesehen wird,
der verdorrt, verhungert innerlich.

Montag, 18. November 2019

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! - Ein Slam-Predigt-Versuch



Am 16.11.2019 haben wir in Altrip den ersten "MidLife"-Gottesdienst gefeiert - ein Format für Themen mitten aus dem Leben, entwickelt durch ganz unterschiedliche Elemente wie Spielszenen, Texte, Medien, kommunikative Einheiten und Aktionen. Aus einer spontanen Laune heraus habe ich meinen Beitrag zum Thema "Freiheit" in eine Slam-Predigt-artige Form gefasst - mein erster Versuch dieser Art. Leider konnte ich wegen einer kurzfristigen Erkrankung im Gottesdienst nicht persönlich mitwirken. Aber zumindest eine Videobotschaft habe ich noch beisteuern können.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! (Gal 5, 2)
Ja, der Paulus weiß Bescheid
Glaubt er und sagt’s den Christen in Galatien
mit einem Brief, sonst wär’s zu weit.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit!
Schreibt er
und noch mehr
vom Joch der Knechtschaft
das einem keiner mehr auflegen soll
das Joch voll Regeln voll
Maßstäben und Normen
die dich zu formen
versuchen
mit denen du dich zu formen
versuchst
um gerecht zu sein
und gut
Ich tu doch dies
Ich tu doch jenes
Ich bin doch o.k.,
Gott? Oder nee?